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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Stunde warten. Und dann verhielt er sich ganz anders als beim letzten Mal. Alles freundliche Getue war dahin. Segur lauschte mit entsetztem Schweigen.
    »Du hast mich enttäuscht, Gerhart. Ich hatte gehofft, du würdest mich unterstützen, aber bisher warst du keinerlei Hilfe. Bald bist du alt genug, um eingezogen zu werden. Wenn wir wegen deines blödsinnigen Besuchs im Café Berta in Gesellschaft anderer krimineller Elemente Anklage gegen dich erheben sowie wegen Besitzes von Musik, die den nationalsozialistischen Geist und den Kampfeswillen der Nation zersetzt, dann wirst du zweifelsfrei schuldig gesprochen. Entweder findest du dich in Plötzensee vor dem Strick oder der Guillotine wieder oder, wenn du viel Glück hast, in Schutzhaft in einer Einrichtung, die wir für schwierige junge Leute wie dich betreiben. Und wenn du alt genug bist, wirst du sofort in ein Strafbataillon gesteckt. Da stehen dir dann die unangenehmsten Aufgaben bevor, die die Ostfront zu bieten hat. Minen entschärfen, Blindgänger bergen, Himmelfahrtskommandos übernehmen. Du wirst für alles herhalten müssen. Habe ich mich klar ausgedrückt?
    Wie auch immer« – er ließ den Satzanfang einige Sekundenunheilvoll in der Luft hängen –, »wenn du mir hilfst, wie du es anfangs versprochen hast, dann werden wir über diese schwerwiegenden Verstöße hinwegsehen.«
    Segur zwang sich zu sprechen. »Was verlangen Sie von mir?«
    »Ich will, dass du mir erzählst, was deine Freunde vorhaben. Ich will, dass du mir alles erzählst, alles, was dir seltsam erscheint. Ich werde dann beurteilen, ob diese Informationen von Nutzen sind oder nicht. Aber bring mir Informationen, Gerhart, bevor mir der Geduldsfaden reißt.«
    Segur stand auf, um zu gehen, doch Brauer ergriff noch einmal das Wort. »Vor allem wüsste ich gern alles über Peter Bruck. Bruck und seine Freundin Anna Reiter. Alles, wirklich alles. Merk dir das. Die Zeit läuft.«
    Segur fiel die Briefmarke ein, die Peter ihm gegeben hatte. Sie war noch in seiner Tasche. Er holte sie hervor und setzte sich wieder. »Ein einziges Mal hat Peter etwas gesagt, was mir komisch vorkam. Er hat mir das hier gegeben und mich gefragt, ob ich jemanden kenne, der so etwas kaufen würde.«
    »Und warum ist dir das seltsam erschienen?«, wollte Brauer wissen.
    »Ich kenne ihn jetzt seit einer Ewigkeit, und er hat nie auch nur das geringste Interesse an Briefmarken gezeigt.«
    »Ich kläre das für dich«, sagte Brauer. »Werde versuchen, den Wert festzustellen. Dann gebe ich dir Bescheid. Was hat er noch dazu gesagt?«
    »Dass der Vater seiner Freundin meinte, sie sei eine Menge Geld wert.«
    »Und wer sind diese Freundin und ihr Vater?«
    Eine halbe Stunde später ging Segur. Leutnant Brauer griff zum Telefon. »Herr Kommandant, ich habe ein paar Spuren, denen ich nachgehen möchte. Eine wertvolle Briefmarke ist auf den Markt gekommen. Jemand versucht sie ›für einen Freund‹ zu verkaufen … Es ist Peter Bruck … Ja, hinter dem bin ich schon eine Weile her. Seine Pflegeeltern genießen großes Ansehen in der Partei, darum muss ich hundertprozentig sicher sein, bevor ich etwas unternehme … Die ganze Sache stinkt nach jüdischer Raffgier. Ist in letzter Zeit öfter vorgekommen. Sind schlau, diese Juden. Briefmarken – die ideale Art, ihre Reichtümer zu horten. Viel einfacher zu verstecken als Schmuck, und oft auch wertvoller … Und wir haben mehrere Spuren, die auf andere mögliche Komplizen hinweisen – besonders auf einen Oberst Reiter und seine Frau. Noch nichts Konkretes, nur ein paar lose Enden, aber ich bin der Meinung, wir sollten dem nachgehen …«
    Segur fühlte sich, als hätte man ihn durch die Mangel gedreht und noch das letzte bisschen Privatwissen aus ihm herausgepresst. An diesem Abend schämte er sich so, dass er sich in den Schlaf weinte. Irgendetwas hatte er tun müssen , um zu verhindern, dass Brauer ihn in ein Lager steckte. Aber sollte er Peter nun warnen? Er dachte an Brauers Drohung. »Kein Sterbenswort zu niemandem. Ich würde es erfahren.« Das Gesicht des gefolterten Mannes in der Gefängniszelle fiel ihm ein, und er sagte sich, dass es nichts gab, was er tun könnte.

Kapitel dreißig
    21. Juli 1943
    Peter war gerade bei den Reiters, als es laut an der Tür klopfte. Alle erstarrten. »Wer kann das bloß sein?«, fragte Ula.
    »Wir ignorieren es einfach«, meinte Anna.
    »Nein«, widersprach Otto. »Es könnte irgendwer sein.«
    Als Otto öffnete, stand ein

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