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Ausradiert: Thriller (German Edition)

Ausradiert: Thriller (German Edition)

Titel: Ausradiert: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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arrangiert.
    Nick machte sich ein paar Notizen, mit der Absicht, sie während des Flugs zu studieren, aber er bekam einen Fensterplatz und konnte nicht aufhören, hinauszustarren, auf nichts im Besonderen, einfach in das endlose Blau. Trotz allem, was man darüber lernte – die Kälte, Grausamkeit, Gleichgültigkeit, die wahrscheinlich in der Nichtexistenz einer ultimativen Bedeutung oder von Trost gipfelten –, konnte das Leben so sein, schön.
    Nach einer Stunde Flug gerieten sie in eine düstere Wolkenbank über der Bay Area, und der Pilot zog das Flugzeug hoch, um darüber hinwegzufliegen. Nick erinnerte sich, wie er zum ersten Mal über so eine Wolkenbank geflogen war: Er hatte in der schwachen, doch nichtsdestotrotz vorhandenen Hoffnung hinuntergespäht, die Himmelsstürme auszumachen, die sich über dem bauschigen, goldenen Grund erhoben.
    Sie landeten bei Regen. Nick hatte das nicht einkalkuliert und weder Regenjacke noch Schirm mitgenommen. Die Schultern seines Jacketts waren noch immer ein bisschen feucht, als der Wärter ihn in einen der Vernehmungsräume von San Quentin führte.
    Vernehmungsraum: Zementboden, unverputzte Wände, an den Boden geschraubter Stahltisch, passende Stahlbänke zu beiden Seiten, auf der Bank gegenüber der Tür Gerald Reasoner, der ein Taschenbuch mit dem Bild eines Raumschiffs auf dem Umschlag las. Als Nick eintrat, schaute er auf, knickte eine Ecke der Seite um, auf der er war, und klappte das Buch zu, legte es mit der Vorderseite nach unten und genau ausgerichteten Kanten auf die Stahlplatte des Tisches.
    Der Wärter sagte: »Wir haben ihn einer Leibesvisitation unterzogen, als er reinkam. Sollen wir ihm Fesseln anlegen? Es ist Ihre Entscheidung.«
    »Nein«, sagte Nick.
    Der Wärter ging hinaus, ließ die Tür offen und setzte sich auf einen Hocker im Korridor, die Arme über der Brust verschränkt. Nick und Reasoner waren allein, zwei Männer in einer Betonschachtel, keine Requisiten, abgesehen von dem Taschenbuch.
    Reasoners Blick fixierte Nick, als der auf der gegenüberliegenden Bank Platz nahm. Reasoner hatte früher eins dieser Mondgesichter gehabt. Jetzt war es schmaler. Er war insgesamt dünner, nicht kräftig oder muskulös, aber kompakt und durchtrainiert, als hielte die Haft ihn fit. Und obwohl sein Gesicht hagerer war, hatte er weder Falten, noch war er blass. Tatsächlich sah er beinah gut aus, nicht nur kein bisschen gealtert, sondern besser als vor zwölf Jahren.
    »Was lesen Sie gerade?«, erkundigte sich Nick.
    »Müll.«
    Nur seine Augen, wässrig, als würden sie von einem Punkt knapp unter der Oberfläche aus beobachten, waren dieselben geblieben. Sie richteten sich auf Nicks Scheitel, glitten über sein Gesicht, Hals, Schultern, Hände. Noch etwas hatte sich ebenfalls nicht verändert, die Andeutung eines schmierigen Grinsens um Reasoners Mund, das sich jetzt zeigte.
    »Was ist so komisch?«, fragte Nick, aber er kannte die Antwort.
    Reasoner war entzückt von der Veränderung, die mit ihm vorgegangen war.
    »Nichts«, sagte Reasoner. Sein wässriger Blick verlor die Ausdruckslosigkeit, und das Grinsen verschwand sofort. Nick wurde klar, was er vor zwölf Jahren nicht begriffen hatte: Reasoner wusste nicht immer, dass es dort war. Das Grinsen führte ein Eigenleben, sein inneres Ich drückte sich darüber aus.
    »Irgendeine Vorstellung, warum ich hier bin?«, fragte Nick.
    »Das ist für mich ohne Belang«, antwortete Reasoner. »Abgesehen von der willkommenen Abwechslung.«
    »Oh?«, sagte Nick. »Haben Sie Ihr Gnadengesuch fallen lassen?«
    »Woher haben Sie das?«
    »Es ist nur eine Annahme. So wie die Dinge jetzt liegen, stehen Ihre Chancen bei null.«
    Reasoner leckte sich die Lippen; seine Zunge spitz und beinah farblos. »Meine Anwälte behaupten was anderes.«
    Reasoners Anwälte waren junge Pflichtverteidiger, die von einer Anti-Todesstrafe-Bewegung unterstützt wurden. »Vielleicht sollte ich mich direkt an sie wenden«, meinte Nick.
    Reasoner beobachtete ihn; Nick spürte die hektische Aktivität seiner Gedanken. Aber Reasoner blieb stumm. Nick begann sich zu erheben.
    Reasoner sprach schnell. »Mit was direkt an sie wenden?«
    Nick setzte sich wieder. Die Macht der Außenwelt gehörte ihm. »Lara Deems«, sagte er.
    »Lara Deems?«
    »Was wissen Sie noch von ihr?«
    »Ich weiß gar nichts über Lara Deems«, sagte Reasoner. »Ich habe ihr nie in irgendeiner Weise weh getan, sie nicht gekannt, nie auch nur von ihr gehört.« Die spitze,

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