Ausradiert: Thriller (German Edition)
angerührt. Ich war in dieser Nacht bei ihr. Ich habe Lara Deems umgebracht.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Ich schwöre bei Gott.«
»Wie haben Sie sie in die Badewanne gekriegt?«
Reasoner wirkte überrascht. »Genauso wie Nicolette«, antwortete er. »Ich versicherte ihr, ich würde ihr nichts tun, wenn ich ihr beim Baden zusehen dürfte.«
Verdiente er es, gleich jetzt zu sterben? Nick tat das Nächstbeste. »Lara Deems wurde in ihrem Bett ermordet«, sagte er. »Sie kam nie auch nur in die Nähe des Badezimmers.«
Reasoner schlug die Hand vor den Mund. Aber zu spät, das Geständnis, ein doppeltes, war ihm bereits entschlüpft.
»Demnach ist Ihr Alibi Gold wert«, sagte Nick. »Wenn man Ihnen die Spritze setzt, wird es für die übrigen sechs sein.« Er erhob sich. »Sie müssen sich die ganzen Jahre gefragt haben, wer Lara Deems ermordet hat.«
Keine Antwort. Reasoner starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, die Hand noch immer auf dem Mund.
Nick brach auf. Er war fast an der Tür, fast im Flur, jeder Schritt brachte ihn einer langen heißen Dusche näher, als Reasoner sprach. »Haben Sie es getan?«, fragte er.
30
S o viel, worüber er nachdenken musste, aber Nick konnte einfach nicht. Er schlief fast den ganzen Rückflug über, eingequetscht zwischen einem dicken Mann und einer dicken Frau, die an ihren Laptops arbeiteten. Ihr überquellendes Fleisch hielt ihn bis zur Ankunft am LAX behaglich warm – bei dem Regen im Norden hatte er sich leicht verkühlt. Das Flugzeug legte sich über dem Ozean in die Kurve, und er erwachte mit einem Ruck. In seinem Verstand verschob sich etwas, ein Aufbäumen, das er körperlich spüren konnte. Was Rui Deej erzählt hatte: Es fiel ihm wieder ein, Wort für Wort.
Angenommen, ein Serienmörder läuft frei herum, und man will jemanden umbringen. Man müsste nur Einzelheiten über die Morde in Erfahrung bringen und dann selbst genauso vorgehen. Wer würde jemals Verdacht schöpfen?
»Wie ein Baby«, bemerkte die dicke Frau, während sie ein Kaugummi auswickelte. »Ich kann im Flugzeug nicht schlafen, und wenn mein Leben davon abhinge.«
Ein Nachahmungstäter, der es so aussehen ließ, als sei Reasoner für den Mord verantwortlich. Der Täter war sogar so weit gegangen, Reasoners perverse Anatomiestunde zu kopieren, obwohl das Häuten in Laras Fall auf einen kleinen Teil ihres Unterarms beschränkt geblieben war, und jetzt wusste Nick auch, warum: Der Killer konnte nicht mehr ertragen. Was hatte der Mörder noch getan? Reasoners Visitenkarte, die Dr.-Tulp-Postkarte, an Laras Kühlschrank hinterlassen. Keine der anderen Postkarten war so offensichtlich zur Schau gestellt worden – Cindy Mottons zum Beispiel hatte in einer Schublade mit Rezepten gelegen, Nicolette Levys in dem Maui-Fotoalbum. Darüber musste er nachdenken. Aber es gab noch etwas anderes, das er unmöglich ignorieren konnte: Die einzige Person, die von der Postkarte gewusst hatte, war er selbst.
Wer hatte Lara Deems ermordet? Das merkwürdige kleine Stechen im Kopf, nicht größer als ein Centstück, setzte wieder ein. Nichts, was man als Schmerz hätte bezeichnen können, eine ganz normale Reaktion auf den sich verändernden Luftdruck. Nick stellte seine Lehne zurück in eine aufrechte Position.
Er fuhr nach Hause, sein rechter Fuß auf dem Gaspedal war ein bisschen bockig – aber wäre es nicht für jeden ein langer Tag gewesen? –, und fiel auf sein Bett. Die einzige Person, die von der Postkarte gewusst hatte, war er selbst. Aber zwischen ihm und der lebenden Lara Deems hatte keine Verbindung bestanden, wenigstens behauptete das sein Gedächtnis. Aber wie zuverlässig war das? Das verlorene Wochenende war größtenteils fort, aber es gab noch weitere Lücken, den vergessenen Schlüssel zu seinem Code zum Beispiel. Existierten noch mehr? Warum nicht? Und warum konnte er sich so deutlich an Laras Lippen erinnern – nur aufgrund der Tatortfotos? Tatsache: Anders als die anderen Opfer, die alle im Valley gelebt hatten, hatte Lara in einem Apartment in Santa Monica gewohnt, ein paar Blocks entfernt von dem Haus, das Nick und Kathleen teilten.
Nick richtete seinen Kopf ordentlich auf die Scheibe aus. Egal wie, er hätte so etwas nie tun können – teuflisch war genau das richtige Wort. Dann dachte er an die Fernsehaufzeichnung aus dem Gerichtssaal, die er für Dr. Tullys kleines Experiment angesehen hatte. Meineid: Er hatte auch nicht geglaubt, dass er dazu fähig wäre.
Hatte
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