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Ausradiert: Thriller (German Edition)

Ausradiert: Thriller (German Edition)

Titel: Ausradiert: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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rief ein Mann: »Ma?«
    Petrov folgte dem Klang, ein paar Stufen hinab, einen Korridor entlang – der Boden an einigen Stellen klebrig – und in ein Zimmer, etwas kühler als der Rest des Hauses, dessen einzige Lichtquelle ein Fernseher war, in dem der Wetterkanal lief. Ein großes Mädchen lag auf dem Sofa. Rui kniete neben ihr, wischte ihr mit einem feuchten Tuch die Stirn.
    »Was hast du mit ihr gemacht?«, sagte Petrov.
    »Nichts«, erwiderte Rui und erhob sich. »Sie hatte ein bisschen viel, das ist alles.«
    »Zu viel was?«
    »Ein bisschen viel Speed.«
    Petrov trat einen Schritt vor und schlug Rui auf den Mund. Rui ging zu Boden und blieb dort. Petrov beugte sich über das Mädchen. Amanda. Amanda, dünner und schmutziger als auf dem Foto, aber Amanda, ohne jeden Zweifel. Er legte einen Finger auf ihren Hals, fühlte ihren Puls, langsam und gleichmäßig. Er näherte sein Gesicht dem ihren, spürte den Atem aus ihrer Nase auf seiner Wange. Sie lebte. Er hatte sie gefunden, und sie lebte.
    »Amanda? Wach auf.«
    Sie tat es nicht.
    Eine Schüssel mit Wasser stand auf dem Boden. Petrov spritzte ihr etwas ins Gesicht. Ihre Lider öffneten sich flatternd. »Nicht«, sagte sie.
    »Setz dich auf«, sagte Petrov. »Ich bringe dich nach Hause.«
    Ihre Augen schlossen sich. »Sehr witzig«, sagte sie, so leise, dass er sie kaum verstand.
    »Warum?«
    Ein langes Schweigen folgte, so lang, dass er glaubte, sie hätte das Bewusstsein verloren. Dann antwortete Amanda, die Worte beinah nur mit den Lippen formend: »Ich bin zu Hause.«
    Was meinte sie damit? War Amanda die ganze Zeit hier gewesen, an einem Ort, an dem Liza eigentlich als Erstes hätte suchen müssen, abhängig davon, ob und was sie über Rui wusste? Oder war sie in Barstow bei ihrem Großvater gewesen, von seinem Eintreffen zur Flucht gezwungen?
    Aus dem Korridor hörte Petrov leise schmatzende Geräusche: Die alte Frau ging über den klebrigen Boden. »Kommen Sie nicht herein«, sagte er. Die Geräusche verstummten.
    Er senkte die hohle Hand in die Schüssel, spritzte Amanda mehr Wasser ins Gesicht. Flatternd hoben sich ihre Lider.
    »Nicht.«
    »Ich bringe dich nach Hause.«
    Sie starrte ihn an. »Wer sind Sie?«
    »Nick Petrov. Deine Mutter hat mich angeheuert, um dich zu suchen.«
    »Der Detektiv aus dem Film?«
    »Ja.«
    »Das ist doch irre.«
    »Wie meinst du das?«
    Amanda drehte den Kopf zur Seite und erbrach sich, würgte und würgte. Auf dem Fußboden rührte sich Rui. Petrov wischte Amanda mit dem feuchten Tuch das Gesicht und richtete sie auf.
    »Du bist in Sicherheit«, sagte er.
    Aber sie keuchte, und ihr Gesicht war weiß. Wo lag das nächste Krankenhaus? Petrov wartete darauf, dass die Karte vor seinem geistigen Auge aufklappte, die Karte mit den Flüssen und Nebenarmen, aber sie weigerte sich. Stattdessen erschien etwas anderes, ein rotes, pulsierendes Ding von übermenschlicher Kraft. Petrov taumelte. Rui zog sich auf Hände und Knie. Petrov holte tief Luft, heiße, staubige Luft, gewann das Gleichgewicht und seine Kraft wieder, nahm Amanda auf die Arme und schritt aus dem Zimmer. Die alte Frau drückte sich in die Schatten, als er vorüberging.
    Er trug Amanda über der Schulter, zurück über den Maschendrahtzaun, um Gerald Reasoners altes Haus, das rote, pulsierende Ding machte jeden Schritt zur Qual. Ihr Kopf pendelte verkehrt herum, schlug gegen seine Brust, die Haare schmierig und verfilzt. Die Sonne glühte rot und pulsierte ebenfalls. Petrov setzte Amanda auf den Beifahrersitz seines Wagens, schnallte sie an, schloss die Tür, stieg auf der anderen Seite ein. Als er losfuhr, hielt ein Wagen hinter ihm. Eine Frau sprang heraus, rannte auf die 313 zu.
    Der Kopfschmerz verschwand in dem Augenblick, in dem er den Schlüssel drehte, das rote Ungeheuer wurde von einer optimistischen blauen Welle davongespült. Von jetzt an würde sein Leben, Gegenwart, Zukunft, selbst die Vergangenheit, falls das Sinn ergab, gut sein. Sein Verstand dehnte sich wie ein Stern in seinen letzten Stadien. Die verlorene Karte erschien – das nächste Krankenhaus war St. Joe’s. Aber andere, weit wichtigere Dinge, strömten auf ihn ein. Beispiel: Er irrte sich, was Kathleen betraf. Er besaß nicht nur kein Recht, sich wieder in ihr Leben zu drängen, tief in seinem Innersten wollte er sie auch gar nicht und würde sie deshalb wieder verletzen. Aber er sehnte sich nach Veränderungen, o ja, nachdem er die Bedeutung der Liebe erkannt hatte. Und Dmitri:

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