Ausradiert: Thriller (German Edition)
Stühlen zurück. »Wow«, meinte Billie, während sie sich die Augen tupfte. »Das habe ich gebraucht.«
»Ich auch«, sagte Nick. Sie sahen einander kurz an, wie Abenteurer, die gerade ein großes Erlebnis geteilt hatten; zumindest empfand es Nick so. Er goss ein wenig nach, erwischte sie dabei, wie sie ihn wieder musterte. »Was machen Sie gerne?«, fragte er.
»Zum Spaß? Nichts Bestimmtes. Ins Kino gehen, tanzen, das Übliche.«
»Sie sind nicht verheiratet oder so was?«
»Ich würde wohl kaum einen Mann bei ihm zu Hause besuchen, wenn ich es wäre.«
»Kinder?«
»Eines Tages.«
»Was halten Sie von Kino?«, fragte Nick. Er war seit Jahren in keinem mehr gewesen, aber tanzen kam nicht in Frage.
»Jetzt?«
»Warum nicht?«
Sie gingen ins Kino. Das nächste lag nur zwei Blocks entfernt; Nick musste seinen Stock kaum benutzen. Der Film war eine Komödie über einen Studenten, der durch einen Irrtum ein Rhodes-Stipendium erhält und am Ende zum Ratgeber der Queen avanciert. Es war nicht besonders komisch, aber Nick amüsierte sich trotzdem, bis der Prince-Charles-Darsteller ein Krankenhaus zwecks einer Hämorrhoiden-Operation betrat.
»Ich hasse Krankenhausszenen«, flüsterte Billie. Ihre Unterarme auf den gepolsterten Armlehnen berührten sich leicht.
Der Prinz rannte, verfolgt von den Ärzten, kreischend und mit fliegendem Kilt durch den OP. Nick hörte andere Leute lachen, aber ihm schien die Angst des Prinzen real. Danach wusste er nicht mehr, was er von dem Film halten sollte, und wartete ungeduldig auf dessen Ende.
Sie gingen zurück. Billies Tracht schimmerte in der Nacht. »Hassen Sie Kriminalfilme?«, fragte sie.
»Die mit Peter Sellers nicht«, erwiderte Nick.
»Ich habe vor ein paar Tagen Der Fall Reasoner gesehen.«
»Wo?«
»Er läuft hin und wieder im Kabelfernsehen.«
»Das wusste ich nicht.«
Billie warf ihm einen Blick zu. »War Elaine die Frau, die Sie im St. Joe’s besucht hat?«, fragte sie. »Die Polizeipräsidentin?«
»Ja«, sagte Nick.
»Ein heißes Paar, die beiden, Kim Delaney und Armand Assante«, sagte Billie. »Hat mich irgendwie überrascht.«
»Die Drehbuchautoren haben viel geändert«, sagte Nick. Obwohl dieser heiße Teil nicht dazugehörte. »Die Sache mit Elaine war schon lange vorbei. Genau wie meine Ehe.« Aus dem Film geschnitten, wurde Nick bewusst, wie er sie auch aus seinem Leben geschnitten hatte; in hollywoodesker Geschwindigkeit die Geschichte auf das Wichtigste reduzieren.
Billie nickte, sagte nichts.
Wie er sie aus seinem Leben geschnitten hatte, das war vermutlich Kathleens Sicht der Dinge, aber Nick hatte auf diese Weise noch nie darüber nachgedacht. Kathleen und Hollywood hatten recht. Er war überrascht. Diese neue Einsicht und der neue Sinn für Untertöne; zwei Anzeichen dafür, dass sein jetziger Verstand dem alten womöglich in mancher Weise überlegen war.
Sie erreichten Billies Auto.
»Einen auf den Weg?«, fragte Nick.
»Lieber nicht«, meinte Billie. »Ich muss um sieben anfangen.«
Ein Auto verriet viel über einen Menschen; das war immer Teil von Nicks Technik gewesen. Billie fuhr einen leuchtend roten Camaro, auf dessen Stoßstange ein Aufkleber verkündete: WENN SIE DAS LESEN KÖNNEN, SIND SIE VERDAMMT ZU NAH DRAN.
»Aber Sie haben das Jackett noch gar nicht gesehen«, wandte Nick ein.
Billie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Das mit dem Loch?«
Nick nahm sie mit hinein, um es ihr zu zeigen. Billie hielt die Jacke hoch, steckte einen Finger in das Loch. »Sehen Sie?«, sagte Nick. »Wie ist das passiert?«
»Ich kenne einen guten Schneider«, bot Billie an.
Es stopfen lassen; vielleicht würde er dann zur Ruhe kommen, wieder schlafen können. »In Ordnung«, sagte er.
Billie leerte die Taschen. Abgesehen von einer Visitenkarte waren sie leer. Billie hatte wieder diesen amüsierten Gesichtsausdruck und reichte sie ihm, eine weiße Karte mit rosa Aufschrift und einer weiblichen Silhouette, die sich um eine Stange wand. Candyland Escorts.
»Sie scheinen gar nicht der Typ dafür«, bemerkte sie.
»Bin ich auch nicht«, sagte Nick. »Ich weiß gar nichts darüber.«
»Das sagen sie alle«, stellte Billie fest.
»Aber bei mir stimmt es«, verteidigte sich Nick. »Wie zum Teufel –«
Und dann erkannte er, dass sie ihn aufzog.
»Sie sehen gerade aus wie ein Zehnjähriger«, sagte sie und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange. Nick ließ den Stock fallen – der einzige Weg, seine linke Hand zu befreien,
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