Ausreißer
wäre, es ist aber ein Wachhund.«
Ilka traute sich weiter auf den Hund zu. »Kennst du mich denn nicht?«, fragte sie den Dobermann.
»Ihr kennt euch?«, fragte Michael verblüfft.
»Nein«, gab Ilka zu. »Aber ich kann ja erst mal so tun.«
Der Dobermann blieb misstrauisch.
Ilka ging weiter einen Schritt auf ihn zu. Linh folgte ihr, um ihr gegebenenfalls beistehen zu können. Die beiden Jungs blieben
zurück.
Ilka streckte langsam die Hand aus. »Jaaaa«, sagte sie in beruhigendem Ton. »Bist ein gaaaaaanz Lieber.«
In dem Augenblick machte der Hund einen Satz nach vorn und schnappte zu.
Ilka konnte gerade noch die Hand fortziehen, machte einen Ausfallschritt zurück, stolperte und fiel rücklings hin. Der Hund
setzte nach. Geistesgegenwärtig sprang Linh in einer blitzartigen Bewegung vor und setzte zu einem Schlag an, den sie im Kampfsport
gelernt und trainiert hatte. Ansatzlos schoss ihre flache Hand nach vorn und verpasste dem Hund einen kurzen, trockenen Schlag
auf die Schnauze.
Der Hund jaulte erbärmlich auf, drehte ab und rannte davon.
»Wow!«, staunte Lennart.
»Der arme Hund«, bedauerte Ilka, stand auf und putzte notdürftig ihre Hose sauber.
Michael sah sie an und kräuselte die Stirn. »Der arme Hund? Tickst du nicht richtig? Der hätte uns fast gekillt!«
»Wir müssen weg!«, gab Linh das Kommando.
Alle vier rannten vom Hof, so schnell sie konnten.
Wenig später fanden sie sich bei Linh zu Hause ein.
»Habt ihr was gefunden?«, fragte Michael.
Linh nickte. Lennart und Ilka ebenso.
Jeder hatte in den Rucksäcken der Jungs Medikamente gefunden. Alle das gleiche. Das, was sie auch bei Jabali im Zimmer gefunden
hatten. Und bei einem lag der Beipackzettel noch dabei. Es war ein Medikament gegen Asthma.
»Tabletten gegen Asthma?«, wiederholte Michael erstaunt. »Asthma? Jabali?«
»Eben«, bestätigte Ilka. »Weißt du, was Asthma ist? Eine Erkrankung der Atemwege. Man bekommt nur sehr schwer Luft. Im schlimmsten
Fall kann man sogar ersticken, weil die Atemwege einfach dicht sind.«
Linh begriff es nicht: »Keine Luft? Unser Jabali? Das Konditionswunder? Der nie aus der Puste ist, egal wie lange er läuft?
Der soll Asthma haben?«
»Und alle anderen auch?«, fügte Lennart an. »Die haben doch kein Team aus asthmakranken Kindern gebildet!«
»Natürlich nicht«, stellte Ilka klar. »Es handelt sich eindeutig um Doping!«
»Do-Do-Do-Doping?« Michael hauchte es mehr, als dass er es sagte. »Doping bei Kindern?«
Lennart zog die Schultern hoch und wiegte den Kopf hin und her. »Das ist es ja. Es ist eben kein Doping. Wenn man asthmakrank
ist, darf man es nehmen.«
»Dann muss man es sogar nehmen«, ergänzte Ilka.
»Was denn nun?« Michael konnte wieder nicht folgen.
Lennart erklärte es ihm: »Alles, was du brauchst, ist eine Bescheinigung, dass du asthmakrank bist. Schon ist es kein Doping,
sondern legal.«
»Und was bringt das?«, fragte Michael.
»Bessere Atmung. Bessere Sauerstoffversorgung durch mehr rote Blutkörperchen. Damit mehr Leistung.Mehr Ausdauer«, erläuterte Ilka. Sie hatte das mal in einer ihrer Zeitschriften gelesen.
»Mehr Ausdauer? Bei Jabali?«, quiekte Michael auf. »Der hat doch schon Ausdauer wie ’ne Brieftaube!«
Lennart nickte. »Aber jetzt macht er Hochleistungssport. Er soll schon jetzt langfristig als Profi aufgebaut werden. Da schrecken
die wohl vor nichts zurück.«
Ilka, Linh und Michael sahen sich betroffen an.
»Klarer Fall«, entschied Lennart. Und um seine Worte zu unterstreichen, erhob er sich von seinem Sitzkissen in Linhs Zimmer.
»Wir müssen etwas unternehmen. Und zwar sofort.«
Zwischenfall
Jabali fühlte sich mächtig stark. Die Entscheidung, Kapitän des Teams zu sein, beflügelte seinen Trainingseifer noch mehr.
Zum ersten Mal hatte er seinen neuen Platz in der Team-Formation eingenommen und rief den anderen zu: »Los, lasst uns mal
Stoff geben.« Jabali war selbst überrascht, wie gut das funktionierte. Sofort zogen seine Teamkollegen das Tempo an.
Sein Trainer lachte ihm zu. »Richtig so. Tut mal so, als ob ihr dem Feld davonfahrt. Macht einen Ausreißversuch.«
Kai und Max gingen aus ihren Sätteln und düsten los. Roland und Torben konnten in deren Windschatten natürlich mühelos mithalten.
Noch leichter fiel es Jabali, weil er den Windschatten von vier Fahrern vor ihm genoss. Er spürte, wie ihm das Adrenalin in
die Adern schoss. Ein Glücksgefühl machte sich in ihm breit. Ein
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