Ausreißer
anderen, die sich hinter ihr an der Mauer versteckt hielten, ein Zeichen.
Flink schlichen Linh, Ilka und Lennart über den Hof.
Michael blieb draußen und stand Schmiere.
Unten vor der Garage blieben die drei stehen und sahen hinauf zu den Appartements der Jungs.
»Du meinst wirklich, wir können es wagen?«, vergewisserte sich Linh noch mal.
Ilka zog die Schultern hoch. »Mir ist jedenfalls nichts Schlaueres eingefallen. Und euch auch nicht.«
»Es ist total verboten, was wir hier machen«, stellte Lennart zum x-ten Mal fest.
Ilka machte ein mitleidiges Gesicht. »Dann heul doch.«
Lennart winkte ab. »Ich meine ja nur.«
»Es sind acht Appartements«, erinnerte Linh. »Ilka und ich nehmen je drei, du zwei, Lennart.«
Lennart signalisierte seine Bereitschaft.
»Dann los«, forderte Linh. Sie rannte los zur Eingangstür des Treppenhauses rechts von der Garage. Linh zog und drückte an
der Tür. »Zu!«
»Was dachtest du denn?«, fragte Lennart. »Das wird uns oben bei den Zimmern genauso gehen. Im Fernsehen machen sie solche
Türen immer mit ihren Scheckkarten auf.«
Ilka verzog das Gesicht. »Erstens haben wir keine Scheckkarten. Zweitens: Wüsstest du, wie das funktioniert?«
Lennart schüttelte den Kopf.
»Dort!« Linh zeigte auf das Abflussrohr der Regenrinne, über das man hinauf zu den Appartements klettern konnte.
»Vielleicht hätten wir doch Michael vorschicken sollen«, überlegte Lennart. »Er ist der beste Kletterer.«
Ilka winkte ab. »Das schaffen wir auch.«
Tatsächlich kletterten die drei ohne größere Schwierigkeiten die Regenrinne hinauf und sprangen in den Laubengang.
Doch Lennart behielt recht. Die einzelnen Zimmer waren natürlich auch verschlossen. Aber neben jeder Tür gab es auch ein Fenster
nach vorn zum Gang. Manche waren auf Kipp gestellt.
Ähnliche Fenster hatten sie in ihrer Schule, und so wusste Lennart, wie man mit einem dünnen Arm hindurchlangen und den Hebel
umlegen konnte, um das Fenster zu öffnen. Ein dünner Arm, wie Linh ihn hatte.
Beim ersten Fenster musste Linh noch einige Male probieren, beim zweiten ging es schon schneller und beim dritten hatte sie
den Bogen bereits raus. Fünf der acht Zimmer konnten sie auf diese Weise öffnen.
Dann aber zögerten sie doch einzusteigen.
»Ich komme mir vor wie so ein Einbrecher«, gestand Ilka.
»Bist du ja auch«, bestätigte Linh. »Aber keine Diebin. Das ist der Unterschied! Denn wir sehen uns nur um. Schauen, ob wir
Tabletten oder sonst was Verdächtiges finden.«
Das tat auch Lennart. Aber noch draußen. Er blickte zu allen Seiten, ob sie wirklich nicht beobachtet wurden, schaute hinunter
zu Michael, der am Hofeingang stand und Wache hielt, ob die Luft rein war. Michael reckte ihm den gestreckten Daumen entgegen.
»Alles okay«, gab Lennart an die Mädchen weiter. »Also los: rein!«
Jeder nahm ein Zimmer.
Linh stieg in das erste. Kaum stand sie mit beiden Füßen in dem Raum, erkannte sie: Das Zimmer war leer. Nicht bewohnt! Aber
sie sah ein Etagenbett und das hieß: Die Jungs schliefen in Doppelzimmern.
Linh kletterte gleich wieder aus dem Fenster heraus und traf dort schon auf Ilka und Lennart, die die gleiche Erfahrung gemacht
hatten.
»Doppelzimmer!«, rief Lennart bloß.
»Also in die nächsten drei«, sagte Ilka.
»Zwei!«, korrigierte Lennart. »Die letzten beiden haben die Fenster geschlossen. Da kommen wirnicht rein. Bleiben nur noch dieses Zimmer und das da!«
Linh ging zum vierten, Ilka und Lennart zum fünften Zimmer. Bevor Linh in das Zimmer einstieg, schaute sie noch einmal zurück.
Das Fenster des ersten Zimmers stand nun sperrangelweit offen.
»Mist!«, ärgerte sie sich. »Jetzt sieht jeder sofort, dass wir hier waren!«
»Falsch!«, korrigierte Lennart. »Jeder sieht, dass JEMAND hier war, nicht WIR!«
Stimmte auch wieder, räumte Linh ein. Und kletterte durchs Fenster ins nächste Zimmer. Hier wurde sie fündig. Zwei Jungs wohnten
hier. Ohne Zweifel. Die Ordnung, die hier herrschte beziehungsweise nicht herrschte, ähnelte sehr der in Jabalis Zimmer. Linh
fühlte sich ausgesprochen unwohl, als Einbrecherin in fremden Sachen herumzuwühlen. Sie wusste, so etwas tat man nicht. Aber
auf anderem Weg sah sie keine Chance, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten.
Das Zimmer war äußerst karg eingerichtet. So viel Geld die Teamleitung bei der Trainingsausstattung ausgab, so sehr sparte
sie hier. Neben dem Etagenbett gab es einen provisorischen Tisch
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