Außer Atem - Panic Snap
Byblos
ist
jetzt mein Zuhause. Dies ist der Ort, an den ich gehöre.
Die Stiefelschachtel steht auf dem Beifahrersitz. James hat sie mir zwar überlassen, aber ich weiß, dass ich sie wegwerfen oder wenigstens irgendwo verstecken sollte. Das ist Teil des Handels, den ich mit ihm geschlossen habe: die gemeinsame Zukunft im Austausch gegen die Vergangenheit. Ich blättere die Zeitungsausschnitte noch einmal durch, überfliege die, die ich noch nicht gelesen habe. Ich lese über Annas Sturz, einen Bericht aus einer Zeitung in Sonoma. Einen Satz im letzten Abschnitt lese ich ein zweites Mal. Das hat in dem Artikel, den ich in der Bücherei kopiert habe, nicht gestanden und auch nicht im Personenstandsregister des Napa Valley. Unbehagen ballt sich in meiner Brust zusammen und macht sich von dort aus in mir breit. Ich lese den Satz noch einmal. Ein kleines Detail, für niemanden von Bedeutung, außer für mich. Und für James.
Ich bleibe im Wagen sitzen und warte. Nach einer Stunde taucht am östlichen Himmel ein Hauch von Grau auf, und das Land, noch ohne Farbe, sieht stumpf, leblos und blass aus. Weitere Zeit vergeht. Die Morgensonne geht über den Weingärten auf, und die Pflücker fallen über die Rebstockreihen her. Mrs. McGuane ist sicher schon aufgestanden. Ich gehe ins Haus und stelle ihr meine Frage. Sie denkt einen Augenblick nach, erinnert sich und gibt mir die Antwort, die ich nicht hören möchte. Nun weiß ich, dass die Vergangenheit nie wirklich vergangen ist.
29
Zum letzten Mal fahre ich die schmale Straße zu James' Haus hinauf und umrunde den mit Eichen bewachsenen Hügel. In dem Weingarten zur Linken arbeiten sich die Pflücker an den Rebstockreihen entlang; ihre Hüte und Köpfe, die über die an Spalieren festgebundenen Blätter hinausragen, bewegen sich hüpfend voran. Die Weinlese neigt sich dem Ende zu. Heute ist mein letzter Tag auf Byblos.
Ich gehe ins Haus, bleibe einen Moment lang an der Tür stehen und nehme die sparsame Eleganz des Raums in mich auf, die hohe gewölbte Decke, den langen Holztisch, die von Backsteinen eingefassten Bogenfester. Der Raum hat die Ausstrahlung des Mannes, dem er gehört – maskulin, robust, kühl. Ich dachte, ich kenne James, dachte, ich hätte ihn am Ende doch verstanden, aber ich habe mich geirrt.
Langsam gehe ich die Treppe zum Dachgeschoss hinauf. Die Vorhänge an dem großen Fenster sind zurückgezogen und geben wie in einem Film den Blick auf die buckligen Hügel frei, die sich hinter dem Haus aneinander reihen. Sonnenlicht fällt herein und lässt den Rattansessel, der in der Nähe des Fensters hängt, verblichen aussehen. Der Sessel hängt an einer Edelstahlkette; sie ist an dem Flaschenzug befestigt, dessen Seil über das in der Wand festgedübelte Metallstück läuft. James kann den Sessel mühelos herunternehmen, ohne den Flaschenzug abzusenken, doch für mich ist der Haken viel zu hoch angebracht. Ich löse das Seil des Flaschenzugs, lasse den Rattansessel herunter und nehme ihn vom Haken.
Anschließend gehe ich zu der antiken Truhe hinüber und öffne sie, betrachte prüfend die Schlingen und Geschirre und versuche zu entscheiden, was am einfachsten zu handhaben ist. Ich habe James mit allen umgehen sehen, und ich bin einigermaßen sicher, dass ich das auch kann. Schließlich greife ich mir den Ledersitz, eine Tragestange, einen Plastikverschluss und ein paar Klammern und trage alles in die Mitte des Raums. Ich befestige den Plastikverschluss an dem Haken der Kette, die Tragestange an dem Plastikverschluss und dann den Sitz an der Tragestange. Ich gehe zum Flaschenzugseil hinüber und ziehe den Sitz hoch. Dann mache ich das Seil fest, ziehe daran, um gewiss zu sein, dass es auch hält. Schließlich verknote ich es noch einmal und ein drittes Mal – viel zu oft, ich weiß, doch ich möchte auf keinen Fall, dass es sich löst.
Ich kehre zum Ledersitz zurück, umrunde ihn und entscheide, wo ich Klammern benötigen werde, dann befestige ich einige an den entsprechenden Ringen. Aus der Truhe hole ich noch zwei Paar Ledermanschetten – für die Hand- und Fußgelenke –, bringe sie zum Ledersitz und lege sie dort auf den Boden. Dann fällt mir noch etwas ein, und ich gehe noch einmal an die Truhe und angele zwei metallene Handmanschetten heraus. James benutzt sie selten. Sie sind nicht praktisch, weil sie scheuern und in die Haut schneiden. Ich werde nur eine verwenden, doch da ich nicht vorhersagen kann, nach welchem Gurt er greifen wird, muss
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