Außer Atem - Panic Snap
ich beide am Ledersitz befestigen. Der Ledersitz hat zwei Gurte wie eine Schaukel; an jedem Gurt befestige ich je eine Seite der Handschelle und lasse die andere Seite offen herabhängen. Ich schaue mir die Manschetten genau an, um sicher zu gehen, dass ich sie problemlos schließen kann. Ich weiß nicht, wo der Schlüssel ist, denke aber, dass das keine Rolle spielt.
Nun rufe ich in der Kellerei an. Patsy macht James ausfindig, doch es vergehen mehrere Minuten, ehe er ans Telefon kommen kann. Als er sich kurz angebunden meldet, zögere ich.
»Ich bin in deinem Haus«, sage ich schließlich. »Kannst du für ein paar Minuten vorbeikommen?«
Er antwortet nicht. Er ist außer Atem und ungeduldig. Zu dieser Jahreszeit fällt in der Kellerei die meiste Arbeit an. Er hat mir heute Morgen gesagt, dass er nicht zum Frühstück kommen wird.
Ehe er ablehnen kann, sage ich: »Ich muss dich wirklich sehen«, und füge hinzu: »Bitte komm.«
Durchs Telefon höre ich allerlei Geräusche, Gesprächsfetzen, ein metallisches Kratzen, das Surren von Maschinen. Ich sehe ihn vor mir, wie er dasteht und sich von meinem Anruf gestört fühlt, wie er gegen sein Hosenbein klopft, eine unbewusste Angewohnheit von ihm.
»Gib mir eine halbe Stunde«, sagt er und legt auf.
Ich ziehe mich aus, gehe ins Badezimmer, betrachte mich im Spiegel und lege den Kopf so weit in den Nacken, dass ich die schwache Narbe unter meinem Kinn sehen kann. Dann betrachte ich die Narbe unter meiner linken Brust und die an der Innenseite meines Oberschenkels. Sie sehen gar nicht so schlimm aus. Ich bin inzwischen objektiver als zu der Zeit, als ich nach Byblos kam. Damals habe ich bei jedem Blick in den Spiegel nur die Zickzacknähte auf meinem Gesicht und meinem Körper gesehen, Narben, die meine Haut wie Eisenbahngleise verunstalteten. Das waren seelische Narben, von einem Schmerz, der nicht so einfach repariert werden konnte. Doch dank James kann ich mich jetzt klarer sehen. Er hat mich an den Anblick meines Körpers gewöhnt. Ich unterscheide mich wirklich nicht von anderen Frauen, das kann ich jetzt sehen. Dank James.
Ich gehe unter die Dusche, lasse das warme Wasser an mir herablaufen und denke darüber nach, was nun kommen wird und wie weit ich gehen werde. Meine prallen Brüste beginnen zu schmerzen. Ich knete sie und ziehe so lange an ihnen, bis die Milch zu fließen beginnt. Sie tröpfelt über meinen Bauch, meine Oberschenkel, zwischen meine Beine, und ich bade meine Haut in süßer Muttermilch.
Nur bin ich keine Mutter.
Ich wasche mir die Haare, spüle das Shampoo aus und seife mir den ganzen Körper ab. Das heiße Wasser prasselt auf mich herab, bis meine Haut sich gerötet hat. Ich betrachte die Goldkette an meinem Knöchel. Die werde ich abschneiden. Einmal werde ich noch mit James zusammen sein, denke ich, und dann werde ich Byblos für immer verlassen. Ich drehe den Wasserhahn zu, trockne mich ab, schlinge mir das Handtuch um den Leib und verlasse das Bad. Abrupt bleibe ich stehen.
James ist da, er sitzt auf der Truhe.
Ich habe ihn nicht hereinkommen hören. Er sagt nichts, schaut mich nur an, die linke Hand, die noch immer den weißen Gipsverband trägt, locker auf dem Oberschenkel. Mit der rechten streicht er sein Haar zurück. Es ist heller als bei unserer ersten Begegnung, gebleicht von der vielen Sommersonne. Und trotz des eingegipsten Arms erinnert er mich an einen nordischen Krieger von heroischem Zuschnitt, sehr blond, sehr groß, ein Mann, der nicht leicht zu besiegen ist.
»Wozu das?«, fragt er und nickt zu der Aufhängung hinüber.
Ich gehe auf ihn zu, lasse das Handtuch zu Boden gleiten und stelle mich zur Schau. »Wir haben es schon länger nicht benutzt«, sage ich. »Seit Ginas Tod nicht mehr.« Nun stehe ich mit meinem nackten, rosig angehauchten Körper dicht vor ihm und lege ihm eine Hand auf die Schulter.
Er schaut mich reglos an und überlegt, ob er jetzt Zeit dafür hat.
Langsam beuge ich mich herab und streiche mit den Lippen über seine. Er duftet nach zerstoßenen Blättern, wildem Gras und einem Spaziergang durch einen Weingarten. »Seit Ginas Tod«, flüstere ich, »hältst du dich zurück, wenn du mich peitschst. Ich will mehr.« Ich berühre seinen Gipsverband, fahre leicht mit den Fingerspitzen darüber hinweg. »Du gibst mir noch immer die Schuld an dem, was geschehen ist – bestraf mich dafür. Schlag mich.«
Er packt mich mit der gesunden Hand, zieht mich auf seinen Schoß und küsst mich hart.
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