Außer Atem - Panic Snap
sichtbarer; in letzter Zeit sieht sie immer leicht ramponiert aus, ihr Aussehen verschlechtert sich täglich mehr. Sie trägt ausgeblichene Jeans, die an den Knien abgescheuert sind, und eine ärmellose Bluse, an der ein Knopf fehlt.
»Du bist blass«, sagt Mrs. McGuane zu ihrer Tochter. »Fühlst du dich nicht wohl?«
Gina betrachtet die Hügel jenseits der Weingärten. Abwesend sagt sie: »Ich konnte nicht schlafen. Es ist jetzt ziemlich hektisch, weil wir bis zum Quetschen alles fertig haben müssen.«
Mit dem Quetschen meint sie die Lese, doch darüber macht sie sich bestimmt keine Sorgen. Bis zur Lese dauert es noch lange. Ihre Schlaflosigkeit hat nichts mit dem Quetschen der Trauben zu tun. Mrs. McGuane nickt und sagt, sie solle sich nicht verrückt machen und dass nichts wichtiger sei als die Gesundheit. Dann geht sie mit ihrem Korb weiter.
Gina wartet, bis ihre Mutter außer Hörweite ist, und sagt: »Ich habe gesehen, dass sie Ihren Knöchel angeschaut hat.«
Ich reagiere nicht.
Sie kniet sich auf die Erde und hebt mein Hosenbein an. Sie behält den Saum in der Hand und zögert nur einen Augenblick. Dann spüre ich ihre Finger an meinem Knöchel. Ihre warme Haut an meiner – es ist eine sanfte, sinnliche Berührung.
»Warum möchten Sie, dass ich fortgehe?«, frage ich.
Sie antwortet nicht. Ihr Finger bewegt sich zwischen der Goldkette und meiner Haut rund um meinen Knöchel herum, und er fühlt sich an wie eine Feder.
»James hat mir auch so eine gemacht«, sagt sie schließlich, so leise, dass ich sie kaum verstehen kann. »Ich habe sie abgemacht«, fügt sie hinzu. »Am Ende.«
»Warum?«, frage ich.
Sie zieht mein Hosenbein glatt und steht auf. »Er verlangt zu viel«, sagt sie mit abgewandtem Blick. »Wenn Sie bleiben, werden Sie das schon noch merken.« Sie verlagert das Gewicht auf das andere Bein und seufzt.
»Sind Sie eifersüchtig?«, frage ich. »Auf mich?«
Als sie das hört, wirbelt sie mit gerunzelter Stirn herum. Sie öffnet den Mund, weil sie etwas sagen will, und schließt ihn gleich wieder. Ihre Kiefermuskeln arbeiten. Harte Linien zerknittern ihre Stirn. Dann seufzt sie müde, so als ob das Leben zu mühsam sei, und ihr Gesicht entspannt sich wieder. Die Härte verschwindet. Sie streckt die Hand aus und legt sie mir mit einer zärtlichen Geste an die Wange. Dort lässt sie sie eine Sekunde lang, dann geht sie davon, hinüber zu ihrem Haus.
Ich höre Mrs. McGuane etwas sagen. »Was?«, frage ich. Sie kniet drüben beim Zuckermais auf der Erde. Ich gehe zu ihr.
»Die Zucchini«, sagt sie und schaut zu mir hoch. »Wie viele werden Sie für das Abendessen heute brauchen?« Dunkle Sonnengläser verbergen ihre Augen.
Ich sehe zu Boden und versuche mich zu konzentrieren. Zucchini und verschiedenfarbige Kürbisse – blassgrün, hellgelb und feuerorange – ranken sich über den Boden zwischen den Reihen von Maispflanzen und winden sich um die hohen Stämme. Ich schaue zu dem kleinen Haus hinüber, doch Gina ist verschwunden.
Ich mustere die Zucchini. »Nehmen Sie nur die kleinen«, sage ich. »Vier oder fünf davon.« Ich habe erst vor kurzem herausgefunden, dass die kleineren am besten schmecken. Ich sehe zu, wie sie sie mit einem scharfen Meser von den Stielen schneidet, doch meine Gedanken sind bei Gina und der goldenen Fußkette, die sie einmal getragen hat.
»Wollen Sie nicht ins Haus umziehen?«, fragt Mrs. McGuane plötzlich und sieht mich an.
»Was?«, frage ich verwirrt.
»Sie sind doch sowieso ständig hier. Dann brauchen Sie kein Haus in der Stadt zu mieten. Noch dazu, wo ich hier so viele unbenutzte Räume habe.«
Ihr Angebot überrascht mich.
Als ich nichts erwidere, sagt sie: »Nun, meine Liebe, denken Sie in Ruhe darüber nach. Sie müssen sich ja nicht sofort entscheiden.«
Ins Haus ziehen? Warum eigentlich nicht?, denke ich. Es gefällt mir hier, und ich mag Mrs. McGuane. Mein Blick gleitet über den Garten. Schmetterlinge schweben durch den wohl riechenden Lavendel, die gelben Astern und die graugrünen Rosmarinpflanzen, die wie Tee riechen. Ich sehe einen Kolibri mit seinen leuchtend bunten Flügeln zwischen den prächtigen Fuchsien herumfliegen und seinen langen Saugrüssel in die glockenförmigen Blüten tauchen. Der Garten der McGuanes ist voller Leben und Energie.
Warum soll ich nicht hier einziehen?, denke ich wieder.
Und dann fällt mir ein, warum nicht – weil eines von Mrs. McGuanes Kindern ins Gefängnis gehen wird. Wenn das geschieht, wird
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