Außer Atem - Panic Snap
wieder tun könnte. Angst durchflutet mich und gleich danach eine entsprechend starke Erregung. Das Leben im Grenzbereich ist komplizierter als ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte heute Abend überlegt, nicht zu kommen, aber nur flüchtig und auch nur halbherzig. Ich brauche die Droge, die er zu bieten hat. Selbst wenn ich nicht bei ihm bin, spüre ich seine Anziehungskraft. Er ist so zugkräftig wie ein Magnet. Als ich an ihm vorbeigehe, streife ich seinen Arm und spüre den weichen Stoff seines Hemds.
Er schließt die Tür hinter mir. Sie fällt mit einem hohlen Knall ins Schloss und sperrt mich ein. Das Geräusch gibt mir wieder das Gefühl, dass ich in eine Falle getappt bin. Ich versuche, das Gefühl abzuschütteln. Ich trage etwas Aufreizendes, ein rotes Kleid mit Spaghettiträgern, doch ich glaube, dass er es gar nicht wahrgenommen hat. Er sieht abwesend aus und mustert mich, als ob ich sowohl Freund als auch Feind sein könnte.
Ich gehe in den Wohnbereich hinüber. Er liegt im Halbdunkel, weil er nur von dem sanften Licht einer Messingstehlampe in der Ecke beleuchtet wird. Oben im Dachgeschoss brennt eine Lampe. Ich gehe zur Ledercouch und halte abrupt inne, als ich das Gemälde sehe, das an der Couch lehnt und das hinter der Kommode versteckt gewesen war. Wieder das verdammte Bild. Ich kann den Blick nicht von ihr losreißen. Sie beherrscht den Raum, nimmt ihn ein. Sie ist wie ein Strudel, der alles einsaugt. Das war ich. Die Wut, die Hässlichkeit, der Schmerz. Das Bild könnte gemalt worden sein, als ich aus dem Koma erwachte, als ich meine Narben sah und mein Körper und mein Gesicht mir so fremd waren. Als die Beine mir nicht gehorchen wollten und als mir klar wurde, dass meine Eltern nicht kommen würden. Ich war voller Wut und Bitterkeit, und mein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Nach dem Angriff auf mich war ich nicht nur Menschen gegenüber argwöhnisch, sondern auch dem Leben schlechthin. Ich funktionierte wie mit Hilfe eines Autopiloten, lebte nie wirklich und liebte nie wirklich.
James stellt sich hinter mich, legt mir eine Hand auf die Schulter, und seine Finger berühren meinen Halsansatz. »Glaubst du noch immer, dass ich versucht habe, dich zu töten?«, fragt er.
Seine Finger an meinem Hals fühlen sich wie eine Verurteilung an – und wenn ich nicht korrekt antworte, werde ich ihren Tadel zu spüren bekommen. Da ich nicht weiß, was ich erwidern soll, sage ich nichts, überhaupt nichts.
Er sagt: »Wenn ich gewollt hätte, hätte ich dich letzte Nacht töten können.«
Ich warte und frage mich, was als Nächstes kommt. Im Raum wird es, mit dem abnehmenden Licht draußen, auch dunkler. Durch eines der Bogenfenster sehe ich die Sonne am Horizont versinken. Das Mädchen starrt mich an. Ihr Gesicht ist wutverzerrt, doch ihre Verletzlichkeit zeigt sich in der Blässe ihrer Haut und in ihrer krummen Haltung, als ob sie von ihrer misslichen Lage überwältigt ist. Die Bilder an den Wänden stellen Tod und Zerstörung im Allgemeinen dar, als ob James sich zu der Natur des Menschen geäußert habe. Dieses Bild und die anderen im Schuppen sind spezifischer, konkreter. Äußerungen über einen bestimmten Menschen, Äußerungen über mich, meine Wut und meine Zerstörung – Porträts eines Künstlers, der von nur einem einzigen Menschen besessen ist.
Schließlich sagt er leise: »Heute Nacht wirst du mehr über sie erfahren.«
Seine Finger streichen sanft über meinen Hals. Er legt auch die andere Hand darum, und zusammen bilden sie eine zarte Schlinge. Ich werde starr und steif, weil ich die Kraft seiner Hände kenne und um meine Verletzlichkeit weiß. Ich fühle aber auch den Gefühlssturm, der mich bei dem Flirt mit der Gefahr zum Leben erweckt.
Ich lege ihm eine Hand auf den Arm, doch ich versuche nicht, ihn wegzuziehen. Ich nähere mich ihm noch mehr, fühle ihn dicht bei mir, sein Hemd an meinen nackten Schultern.
»Ich hatte dich zu meiner Schülerin gemacht«, sagt er. »Wir spielten ein Spiel – du hast mich verehrt. Ich habe dich kontrolliert. Alles war gut, und wir beide bekamen, was wir wollten.«
Die Augen des Mädchens sind rot gerändert und zerstört. Sie sehen aus, als hätte ich damals mehr bekommen, als ich hatte haben wollen.
Er sagt: »Am Schluss konnte ich tun, was ich wollte. Du hast nie protestiert. Ich habe alles an dir kontrolliert.«
Seine Finger umfassen meinen Hals mit sanftem Druck. Ich argwöhne, wohin er mich führen wird. Er möchte meinen
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