Ausser Dienst - Eine Bilanz
Bush seit 2003 die Autorität der USA weltweit gefährlich geschwächt hat. Dennoch sollten die Europäer sich nicht täuschen: Eine Führung durch die EU ist angesichts der politischen Handlungsschwäche der Union gegenwärtig unwahrscheinlich. Andererseits würde der Versuch, zu einer besseren weltwirtschaftlichen und finanz- und währungspolitischen Kooperation zu gelangen, ohne entschlossene Mitwirkung der Euro-Zone oder der EU erfolglos bleiben.
Abraten muß ich von dem Vorschlag, die 1994 begründete nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA – North-American Free Trade Area) und den vor einem halben Jahrhundert gegründeten gemeinsamen Markt der EU zu einer »Transatlantischen Freihandelszone« zusammenzuschließen. Denn diese würde an dem die ganze Weltwirtschaft bedrängenden außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht der USA nichts ändern; wohl aber würde sie binnen weniger Jahrzehnte zur vollständigen Dominanz der amerikanischen Finanzpolitik – und der amerikanischen Interessen insgesamt – über die Europäische Union führen. Die gegenwärtige politische Handlungsunfähigkeit der EU ist einstweilen kein ausreichender Grund, das Ziel einer handlungsfähigen EU aufzugeben und sich ökonomisch den USA zu unterwerfen.
Der Versuch, im Interesse Europas und im Interesse der Funktionstüchtigkeit der Weltwirtschaft zu einer Kooperation der Regierungen der großen Volkswirtschaften der Welt zu gelangen, erscheint mir immer noch erfolgversprechend. Dazu bedarf es einer Erweiterung der bisherigen Weltwirtschaftsgipfel von heute acht auf etwa fünfzehn Teilnehmer-Regierungen, und es bedarf der Konzentration auf die vordringlichen Probleme unter Verzicht auf Zurschaustellung. Die beiden aktuell wichtigsten ökonomischen Themen eines solchen Gipfels wären das aus dem Gleichgewicht geratene globale Gefüge der Zahlungsbilanzen und die Frage, wie man der gefährlichen spekulativen Zügellosigkeit in den globalen Finanzmärkten begegnen kann. Es könnte zweckmäßig sein, den IMF mit der Bildung einer transnational wirksamen Aufsicht über alle Varianten privater Finanzinstitute und über alle im Handel befindlichen Finanzinstrumente zu beauftragen. Man könnte einen solchen Auftrag natürlich auch einem ad hoc einberufenen international besetzten Gremium geben. Bisher haben sich allerdings vor allem die USA und England gegen eine bessere Ordnung auf den globalen Finanzmärkten gesträubt. Ihr Motiv lag in der national-egoistischen Erwägung, daß New York und London die bei weitem wichtigsten Zentren der globalen Finanzmärkte sind und daß hier die größten Profite abfallen, während die Risiken sich auf die ganze Welt verteilen. So haben auch alle großen internationalen Entschuldungs- und Stützungsaktionen des IMF bisher vornehmlich den in diesen beiden Zentren vertretenen privaten Gläubiger-Instituten genutzt, nicht in erster Linie den verschuldeten Entwick lungsländern. Vor allem die USA dirigieren die beiden weltweit agierenden internationalen Institutionen IMF und Weltbank, die ihren Sitz in Washington haben. Vermutlich wird es leider noch einige Zeit bei dieser finanzpolitischen Dominanz der USA bleiben.
Gleichzeitig beobachten wir seit Jahren, daß die amerikanische Wirtschaft, ihr Wachstum und ihre Konjunktur durch ausländische Netto-Kapitalzuflüsse in der Höhe von fünf und sechs Prozent ihres Sozialproduktes finanziert wird. Wie lange dieser für den Rest der Welt höchst ungesunde Zustand noch andauern wird, hängt davon ab, wie lange viele Bürger anderer Staaten – darunter auch Deutsche – das Vertrauen haben, ihr Kapital sei in den USA sicherer und gewinnbringender angelegt als im eigenen Land. Der stetige Kapitalimport bewirkt zwangsläufig eine Steigerung der Auslandsverschuldung der USA und eine Steigerung der amerikanischen Zinslast. Solange die Ausländer die ihnen gutgeschriebenen Zinsen, Dividenden und Profite in Dollars stehenlassen, ist ein Ende dieser einseitigen Alimentierung der reichsten Volkswirtschaft nicht abzusehen. Die damit verbundene stetige Abwertung des Dollars wird in Washington noch nicht als bedrohlich empfunden; wohl aber möchte man dort einseitig China die alleinige Schuld am Ungleichgewicht zuschieben.
Die Europäer – und damit auch die Deutschen – werden es ertragen müssen, wenn es einstweilen nicht zu einer besseren Ordnung kommt. Die Hoffnung, die sie haben dürfen, richtet sich auf die steigende Bedeutung der Euro-Währung, auf die Europäische
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