Ausser Dienst - Eine Bilanz
Gläubiger von den eintretenden Verlusten freizuhalten, wurden die faulen Hypotheken (»subprime mortgage« bedeutet auf deutsch: nicht erstklassige Hypothek – eine irreführende, weil beschönigende Begriffsprägung!) gebündelt, zu neuartigen, sehr undurchsichtigen Wertpapieren umgewandelt und diese sodann an gutgläubige Kunden (andere Finanzinstitute und auch private Anleger) verkauft. Als die Risiken offenbar wurden, wollte jedermann die derivativen Papiere verkaufen; so platzte die Blase. Infolgedessen gerieten viele Banken und andere private Finanzinstitute in hohe Verluste.
In der Folge mußte die öffentliche Hand zum Beispiel in England und in Deutschland einige Banken retten, um deren unschuldige Kunden nicht in Panik zu stürzen. Reihenweise mußten Bankvorstände abgelöst werden. Eine allgemeine Vertrauenskrise breitete sich auf den Finanzmärkten aus, die dazu führte, daß alle Banken ihre liquiden Gelder festhielten und nur noch zu außerordentlich hohen Zinsen ausliehen. Um einer allgemeinen Kreditkrise abzuhelfen, sahen sich die für den Dollar zuständige amerikanische Zentralbank, ähnlich die für den Euro zuständige Europäische Zentralbank und andere Zentralbanken zu großer Liquiditätszufuhr in ihre Wirtschaft veranlaßt. Daß mit dieser Vermehrung der Geldmenge eine inflatorische Aufblähung verbunden sein wird, liegt auf der Hand. Gleichfalls bedenklich ist der bei Finanzmanagern eintretende psychologische Effekt: Sie können damit rechnen, daß ihre Zentralbank sie auch das nächste Mal vor dem Kollaps retten wird. Aus alldem muß man eine wichtige Lehre ziehen: Die Spekulationen privater Finanzmanager gefährden die reale wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Landes und sogar der ganzen Welt. Die vom amerikanischen Hypothekenmarkt ausgelöste Finanzkrise wird weltweit das reale wirtschaftliche Wachstum merklich reduzieren.
Daß die Finanzkrise von leichtfertigen Hypothekenbanken ausgegangen ist, kann Zufall gewesen sein, sie hätte zum Beispiel auch von Investmentfonds ausgehen können. Gegenwärtig gibt es auf der Welt über 10 000 Hedge-Fonds und andere spekulative private Finanzinstitute. Kaum ein Finanzminister kann die mit deren spekulativen Geschäften verbundenen Risiken überblicken, zumal sie weitgehend außerhalb der veröffentlichten Bilanzen bleiben; noch weniger können dies ihre Regierungschefs oder ihre gesetzgebenden Parlamente. Die von Spekulationsgeschäften ausgehenden Gefahren für die Weltwirtschaft sollten keineswegs für geringer gehalten werden als die politischen Gefahren von Kriegen. Die Weltwirtschaft ist vom Verhalten mächtiger privater Finanzinstitute und ihrer Manager nicht weniger abhängig als vom politischen Verhalten der einflußreichen Staaten und deren Regierungen.
Jedenfalls ist das Finanz- und Währungsgefüge der Weltwirtschaft vor 1914 und abermals vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die späten sechziger Jahre weit zuverlässiger gewesen, als es dies zu Beginn der 21. Jahrhunderts ist. Entscheidend für die künftige Stabilität der weltwirtschaftlichen Entwicklung wird eine enge Kooperation der führenden Wirtschaftsstaaten der Welt sein. Erst wenn eine wirksame Zusammenarbeit der Finanzaufsichtsbehörden der USA, der EU, Chinas und Japans erreicht ist, kann eine einigermaßen verläßliche Struktur der globalen Finanzmärkte erwartet werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und es sind vielerlei private und national-egoistische Widerstände zu überwinden. Krisen und Unfälle mit weltweiten Auswirkungen können keineswegs ausgeschlossen werden.
Zu den ökonomischen Faktoren, die auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden, gehört leider auch die national-egoistische Abschottung der alten Industriestaaten gegen landwirtschaftliche Produkte aus Entwicklungsländern. Dazu gehören vor allem die von gewaltigen Defiziten gekennzeichnete Handelsbilanz der USA und Amerikas schnell wachsende riesige Auslandsverschuldung. Aber dazu gehören auch die gewaltigen Handelsbilanz-Überschüsse Chinas und Japans und die daraus resultierenden enormen und weiter wachsenden Dollar-Reserven in den Händen der ostasiatischen Staaten.
In den nächsten Jahrzehnten sollte die amerikanische Führung zum Ausgleich der enormen Ungleichgewichte in der Lage sein – wenngleich die US-amerikanische Volkswirtschaft sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts zum weltgrößten Netto-Schuldner gegenüber dem Rest der Welt entwickelt und Präsident George W.
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