Ausser Dienst - Eine Bilanz
politisch durchsetzbar sein. Jedenfalls wird es zu längeren Lebensarbeitszeiten kommen, wahrscheinlich nicht nur nach Arbeitsjahren, sondern auch nach der Zahl der Arbeitsstunden pro Jahr.
Die öffentliche Diskussion über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit wurde schon von Kanzler Schröders »Agenda 2010« angestoßen; weitgreifend wurde sie erst im Jahr 2006 geführt. In der öffentlichen Debatte fürchteten sich besonders die älteren Jahrgänge, obwohl gerade sie von der Reform nicht mehr oder kaum noch betroffen sind, denn die Anhebung des Rentenalters soll erst 2012 beginnen. Wer 1947 geboren wurde, muß dann einen Monat länger arbeiten, die 1948 Geborenen zwei Monate länger und so weiter. Erst für den Geburtsjahrgang 1963 wird nach dem gegenwärtig geltenden Recht die Altersgrenze von 67 Jahren greifen. Von den jüngeren Jahrgängen, die tatsächlich deutlich von der Verlängerung der Lebensarbeitszeit betroffen werden, kam relativ wenig Protest; von seiten der Gewerkschaften um so mehr. Die Standhaftigkeit der sozialdemokratischen Minister Riester und Müntefering in dieser Debatte bleibt lobenswert, erste gesetzgeberische Schritte sind erfolgt.
Angesichts sehr viel längerer und weiterhin zunehmender Lebensdauer und angesichts deutlich verbesserter Gesundheit auch im Alter ist zusätzliche Arbeitsbelastung absolut plausibel. Man stelle sich den theoretischen Extremfall vor, daß alle Menschen hundert Jahre alt werden und während ihrer letzten vierzig Jahre Rente beziehen, daß aber zugleich die Arbeitenden nur vom 20. bis zum 60. Lebensjahr, das heißt vierzig Jahre lang, arbeiten. In diesem theoretischen Extremfall müßte jeder Arbeitende nicht nur sich selbst und seine Familie, sondern außerdem einen Rentner und dessen Familie ernähren. Dies würde zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung der Arbeitenden führen. Tatsächlichsind wir aber schon auf dem Wege, uns langsam einem solchen Ergebnis zu nähern.
Bisher haben viele Politiker, vor allem viele Sozialpolitiker, die öffentliche Meinung mit Illusionen über künftige Rentenzahlungen gefüttert. So hat zum Beispiel noch im Jahr 2005 die staatliche Rentenversicherungsbehörde von Amts wegen an die versicherten Arbeitnehmer sogenannte Renteninformationen verschickt, in denen der Eindruck erweckt wurde, daß die jeweils errechnete und in diesen Schreiben genannte Altersrente aufgrund künftiger Rentenanpassungen tatsächlich höher ausfallen könnte. Ich habe mich damals an den Präsidenten der »Deutschen Rentenversicherung Bund« und an den Arbeitsminister gewandt und darauf hingewiesen, daß mir diese Renteninformationen vor dem Hintergrund der tatsächlichen Lage des Rentenversicherungssystems und der demographischen Entwicklung in Deutschland irreführend und deshalb unseriös erschienen; sie erweckten in hohem Maße Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten. Inzwischen werden solche optimistischen Annahmen nicht mehr verbreitet. Die heutigen Renteninformationen machen deutlich, daß die künftige Rentenhöhe nicht gewiß ist. Nur wenn es rechtzeitig zu den oben skizzierten Veränderungen der Gesetze kommt, kann das heutige reale Rentenniveau gehalten werden.
Weil gegenwärtig einige Politiker einer Verlagerung eines Teils der Altersvorsorge von staatlicher Rente auf private Altersvorsorge das Wort reden, möchte ich an dieser Stelle eine wichtige Tatsache hervorheben: Auch jede private kapitalgedeckte Rente wird aus dem gleichzeitig erwirtschafteten Sozialprodukt der Nation gezahlt; auch eine private Altersvorsorge setzt also eine prosperierende Volkswirtschaft und deshalb einen finanzwirtschaftlich gesunden Staat voraus. Allein die von einem Rentner selbst bewohnte mietfreie Eigentumswohnung (oder das eigene Haus oder der eigene Garten), soweit sie nicht mit Krediten oder Hypotheken belastet ist, stellt einen Beitrag zu seinem laufenden Lebensunterhalt dar, der nicht von anderen erarbeitet wird.
Gleichwohl erscheint der Gedanke keineswegs abwegig, für die eigene Alterssicherung eine Kombination von staatlicher Rente mit privater Rente anzustreben (ein Stichwort dafür ist die »Riester-Rente«). Doch kommt es dabei immer auf die Form und die Bonität der privaten Kapitalanlage und auf die damit verbundenen Risiken an. Der von spekulierenden Fondsmanagern herbeigeführte Zusammenbruch einiger großer amerikanischer Pensionsfonds war ein Warnsignal. Deshalb vertraut die große Mehrheit der deutschen Sparer immer noch
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