Aussicht auf Sternschnuppen
Nische zwischen Schloss und Burgturm entdeckte ich ein Straßencafé. Ein junges Mädchen mit blonden, hochgesteckten Haaren und Sommersprossen auf der Stupsnase war gerade dabei, einige blaue Plastiktische auseinanderzuschieben und einer schwarzen Tafel konnte ich entnehmen, dass Frühstück angeboten wurde. Ich setzte mich an einen der Tische und öffnete die Karte. Da ich nicht viel Hunger hatte, entschied ich mich für ein Panino mit Butter und Erdbeermarmelade und winkte die blonde Bedienung heran.
„Buon giorno!“, begrüßte die junge Dame mich freundlich und ihre blauen Augen blitzten.
„Buon giorno. Un panino con confettura di fragole.“
„Sie kommen aus Deutschland!“, rief sie entzückt in akzentfreiem Deutsch.
Etwas pikiert nickte ich.
„Ich komme aus Freiburg“, fuhr sie fort. „Ich habe mir nach dem Abitur ein Jahr Auszeit genommen. Eigentlich als Au pair, aber die Familie, die mir die Agentur vermittelt hatte, war einfach schrecklich und jetzt arbeite ich die letzten Monate in diesem Café. Darf ich mich ein wenig zu Ihnen setzen? Ich freue mich immer, wenn ich mit jemandem Deutsch reden kann.“
Ich deutete auffordernd auf den freien Plastikstuhl neben mir.
„Toll!“, freute sich das Mädchen. „Der Betrieb im Café beginnt meist erst gegen zehn. Bis dahin ist es immer ziemlich langweilig. Ich bin Nele.“ Sie streckte mir die Hand entgegen.
„Helga.“
„Ach! Jetzt habe ich ganz vergessen, Ihr Frühstück zu holen. Was möchten Sie trinken?“
„Die Mutter der Kinder war eine Künstlerin. Sie hat den ganzen Tag in ihrem Atelier gehockt und gemalt und der Vater, irgendein Firmenheini, war immer auf Geschäftsreise. Ich hatte nie frei und die Kinder haben gemacht, was sie wollten, weil mein Italienisch nicht gut genug war, um mit ihnen zu schimpfen“, erzählte Nele und rümpfte die Nase.
„Warum hast du von deiner Agentur keine andere Familie verlangt?“
„Nach dieser Erfahrung hatte ich die Nase voll von der Kinderbetreuung, aber sofort nach Hause wollte ich auch nicht und deshalb habe ich die Stelle in diesem Café angenommen. Abends bediene ich außerdem noch drei Mal in der Woche in der Pizzeria Il Nicchio .“
„Kennst du dich in Vinci gut aus?“
„Klar. Der Ort ist winzig. Nach zwei Tagen kennt sich hier jeder gut aus.“
„Ich suche ein Hotel. Vielleicht kannst du mir weiterhelfen. Weißt du, wo hier in Vinci deutsche Schauspieler abgestiegen sind?“
Nele überlegte einen Moment, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Und ich müsste es wissen, denn Klatsch und Tratsch spricht sich hier schnell rum. Bist du dir sicher, dass diese Schauspieler in Vinci wohnen?“
„Nein, vielleicht wohnen sie auch nur in der Nähe von Vinci.“
„Aber du musst es unbedingt wissen?“
Ich nickte.
„Sieht er gut aus?“
„Wer?“
Nele grinste. „Na, der Schauspieler, den du suchst. Oder bist du nur auf Promijagd?“
„Nein. Ich suche wirklich nach einem Schauspieler“, gab ich etwas verlegen zu.
„Kennt man ihn aus dem Fernsehen?“
„Ich weiß nicht. Er heißt Nils Schöneberger.“
Nele schüttelte den Kopf. „Nein. Wo hast du ihn kennen gelernt? Gib mir einen Tipp! Wenn ich wieder zurück in Deutschland bin, suche ich mir auch einen Schauspieler als Freund.“
„Wir mussten uns einen Mietwagen teilen, da wegen der Aschewolke der europäische Luftraum geschlossen war oder immer noch ist.“
„Er ist immer noch geschlossen“, antwortete Nele beiläufig, bevor sie sich wieder auf das eigentliche Thema ihres Interesses konzentrierte. „Und du musstest dir mit einem gutaussehenden Schauspieler den Mietwagen teilen! Wie romantisch!“
„Na ja, schon, aber nicht die ganze Zeit über. Es ist eine lange Geschichte.“ Ich erzählte Nele in groben Zügen von meiner Fahrt in die Toskana.
„Wow!“, meinte sie beeindruckt, nachdem ich fertig war. „Wie im Film. Und das hast du wirklich alles innerhalb von drei Tagen erlebt.“
Ich nickte. „Unglaublich, oder? Und zu Hause habe ich noch nicht einmal einen Fernseher.“
„Das ist wirklich die romantischste Geschichte, die ich je gehört habe. Du musst diesen Nils unbedingt wiedersehen!“, rief Nele begeistert. „Ich werde meinen Chef vom Il Nicchio anrufen. Walter ist die größte Klatschtante von Vinci. Wenn jemand weiß, wo hier in der Gegend deutsche Schauspieler abgestiegen sind, dann er.“
Sie verschwand im Café. Nach kurzer Zeit erschien sie wieder mit einem breiten Lächeln auf dem
Weitere Kostenlose Bücher