Aussortiert
Bequemlichkeit der Limousine sitzen zu bleiben. Gegen die Nervosität
nahm sie ein paar Martinis aus der Bar und guckte auf dem eingebauten
DVD-Viewer den Anfang ihres Lieblingsfilms, Casino. Ruslan herrschte sie
an, nicht soviel zu trinken. Sie zeigte ihm den Mittelfinger.
Man würde schnell
herausfinden, daß ihre Ehe mit Tschutschelow keine sehr glückliche
gewesen war, mehr ein Zweckbündnis ohne viel Leidenschaft. Weshalb
sollte sie die flennende Witwe markieren, wo sie doch ein lupenreines
Alibi besaß? Tschutschelow hatte sie stets unterdrückt,
manchmal auch geohrfeigt oder für Stunden in ihr Zimmer gesperrt. Sie
besaß keinen Grund, übertriebene Anteilnahme zu heucheln. Das hätte
sie nur verdächtig gemacht.
Es war alles gut so, wie es
war. Sie trank einen dritten Martini und dachte an die wenigen glücklichen
Wochen mit Igor zurück, die allerersten Wochen, als er so unverschämt
einnehmend gewesen war, als er sie von drückenden Schulden befreit
und ihr ein Leben in Luxus und Glamour geboten hatte.
Drinnen in der Villa sah sich
Nabel den Tatort an, das Bad im ersten Stock. Man hatte aus dem runden,
mit grünem Marmor verkleideten Whirlpool das Wasser abgelassen. Der
blasse und feiste, nebenbei bemerkt übermäßig behaarte Körper
Tschutschelows lag halb auf der Seite, der grausig weit geöffnete
Mund ließ keinen leichten Tod vermuten. Die klassische Nummer. Neben
dem Toten lag, mit durchgeschmortem Inneren, ein Föhn, nein, kein Föhn,
Nabel hatte nicht genau genug hingesehen, es war ein Mixer, ein
sogenannter Zauberstab, mit dem man Lebensmittel pürieren konnte. Es
hatte einen Kurzschluß gegeben im ganzen Haus, die rundherum
postierten Leibwächter waren durch die plötzliche Dunkelheit
alarmiert worden und hatten einige Minuten benötigt, um die Sicherung
auszutauschen. Einer der vier rannte mit seiner Taschenlampe durch die
neun Zimmer, fand Tschutschelow und riß den Stecker des Püriergeräts
aus der Buchse, Sekunden bevor das Licht wieder anging. Sofort wurde
Dschanow benachrichtigt und erst auf dessen OK hin der Notarzt und die
Polizei. Der Notarzt hatte noch versucht, Tschutschelows Körper zu
reanimieren, erfolglos, nun bat er darum, doch bitte entlassen zu werden.
Das Protokoll zur vorläufigen Todesursache sei unterschrieben, der
Leichnam werde an die Gerichtsmedizin überstellt. Der Todeszeitpunkt
wurde mit ungefähr irgendwann vor Mitternacht angegeben.
Nabel faßte Lidia bei
der Hand.
»Mädchen, hilf
mir! Bitte!«
»Mach ich, Kai.«
An der Außenwand der
Wanne klebte ein Schildchen, ein Etikett, kaum größer als drei
nebeneinanderliegende Briefmarken. Zu dreckig, das Schwein. Sauber ist es
nun und rein.
Das klang wie ein Scherz frei
nach Wilhelm Busch, noch schlimmer – Nabel empfand es als Verhöhnung.
Mit violettfarbener Tinte
wurde ohne Not ein Verbrechen manifestiert, das ansonsten vorläufig
als Unfall oder Selbstmord hätte interpretiert werden können.
Der Täter mußte sich sehr sicher fühlen. Was ging hier
vor? Was würde die Presse dazu sagen?
Nabel schüttelte
widerwillig den Kopf, als müsse er nach einem Faustschlag das Bewußtsein
wiedergewinnen. Er fühlte Lidias Hand auf seiner rechten Schulter,
was ihm ein wenig Kraft zurückgab.
»Nimm dich zusammen,
Kai!«
»Wir werden verarscht,
Lidia. Einfach nur verarscht.«
»Ich weiß. Hilft
ja nichts. Sag erstmal dem Notarzt, daß er gehen darf.«
Nabel machte eine flüchtige
Geste zum Notarzt hin – er dürfe sich entfernen. Es war nicht
so gemeint, aber ähnlich muß es ausgesehen haben, wenn Kardinal
Richelieu einen momentan lästigen Diener des Saales verwies. Der Arzt
hob die Brauen und beschloß, Nabel in alle Zukunft zu verachten.
Lidia bat durch ein winziges Zwinkern um Entschuldigung für ihren
Chef, der Arzt akzeptierte die Entschuldigung mit einem kurzen, kaum hörbaren
Räuspern, als er durch die Tür trat.
Die Spurensicherung war mit
der Wanne soweit fertig, Lidia schlug vor, die Leichenbestatter
ranzulassen. Und stieß unerwartet auf Widerspruch.
»Kommt nicht in Frage.
Der Kadaver bleibt hier, solang ich es will.« Nabel klang aggressiv.
Lidia verstand. Er versprach sich von der Präsenz des wenn auch toten
Tschutschelow ein psychologisch bedrückendes Moment, das sich als nützlich
erweisen konnte. Er glich, obwohl nüchtern, einem Betrunkenen, der
die Feinheiten
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