Aussortiert
Meinung, daß keine
Gefahr mehr von ihm ausging, im Gegenteil, er konnte vielleicht sogar als
Sündenbock herhalten. Falls ihn Ümals Leute nicht längst,
wie diesen König – ein dreistes Ding – zur Entsorgung
vorgesehen hatten. Im Grunde war Pfeifer ja deren Problem, wenn überhaupt.
Wozu sich an ihm die Hände schmutzig machen? Dschanow ließ sich
in einen riesigen roten Clubsessel fallen. Er hatte genug von Anitas Müll
weggeräumt, war, wenn er es genau betrachtete, von ihr benutzt
worden, die ganze Zeit über. Aber in wenigen Stunden würde damit
Schluß sein, dann würde alles ein Ende haben. Ihm blieben vier
Stunden, um zu schlafen. Er schlief sofort ein.
21
Gräfin Schönfels
hatte noch etwas Zeit und schlenderte erneut zum Buffet. Ihr Mann
erwartete sie erst gegen Mitternacht zurück. Sie wurde häufig
nach ihm ausgefragt. Warum er denn nie mitkomme, warum er sich so selten
in der Öffentlichkeit zeige. Es waren vorsichtige, scheinheilige
Fragen, die nie den Mut aufbrachten, nach dem Wesentlichen zu zielen.
Einzig das Selbstbewußtsein eines Jimmy Kistner war impertinent
genug gewesen, zur Sache zu kommen. Und wenn sie daran zurückdachte,
gestand sie sich ein, daß er mit seiner Frechheit durchaus amüsant
gewesen war. Anfangs.
»Guten Abend! Ihr Gatte
macht doch in Nutten?« So hatte er sie angeredet, begleitet von
einem Handkuß, genau ein Jahr war das nun her, hier, fast exakt an
dieser Stelle, sie hatte vor Verblüffung kichern müssen wie ein
Schulmädchen. Jeden anderen hätte sie geohrfeigt. Aber dieser
Mensch hatte was Besonderes an sich. »Unsinn. Er pflegt die
deutsch-ukrainische Freundschaft, Herr …«
»Kistner. Der Kistner.
Sparen wir uns das Gewäsch. Ich wäre interessiert, mal bei einer
Ihrer Soireen eingeladen zu werden. Ich bin der Puls der Zeit. Wir könnten
einander viel Gutes tun.«
Sie hatte nur gelacht und ihn
stehengelassen. Am nächsten Tag war in der auflagenstärksten
Zeitung der Hauptstadt eine Szeneglosse erschienen, in der in äußerst
vorteilhafter Weise ihre Abendgarderobe erwähnt wurde. Anita, fast
ausnahmslos bigottes Gedruckse gewöhnt, erlag Kistners burschikosen
Charme und Größenwahn sehr schnell, lud ihn ein, schon aus
Neugier. Und Tschutschelow, stets an gesellschaftlicher Reputation
interessiert, entwickelte zum Kolumnisten ein herzliches Verhältnis,
falsch, herzlich war das absolut unpassende Adjektiv, Tschutschelow besaß
kein Herz. Ihr fiel kein geeignetes Wort ein. Die beiden verstanden sich
gut, basta, warum auch immer. Zwischen Kistner und Anita hatte es nie eine
Affäre gegeben, allerdings etwas anderes, eine Art sonderbarer
Unverblümtheit. Kistner hatte ihr Pfeifer vorgestellt, seinen, wie er
sagte, Verbindungsmann bei der hiesigen Staatsgewalt. So fing alles an.
Pfeifer überreichte ihr wortlos ein Tütchen, gleichsam anstelle
einer Visitenkarte. Er habe noch mehr davon, jederzeit, für Freunde
zum Einkaufspreis. Es war eine lustige und wilde Zeit. Kistner nutzte die
Verbindung zu Tschutschelow weidlich aus, eins kam zum andern, wie Anita
endlich dazu kam, ihre Phantasien auszuleben.
Bis Kistner, selbsternannter
Puls der Zeit, durchdrehte, beziehungsweise sein vom Koks aufgeblähtes
Hirn. Aber die Idee, die er im Wahn ausgebrütet hatte, war, selbst nüchtern
betrachtet, apart. Anita, aufgewachsen im trostlosesten Teil des Wedding,
um eine ihrem Anspruch angemessene Jugend gebracht, witterte die Chance,
dem Käfig ihres Gatten zu entkommen, und das auch noch auf ganz
glorreiche Art. Seither hatte sie ein Leben geführt und keine Minute
davon bereut. Ruslan, mit seiner letztlich bürgerlichen, um
Sicherheit besorgten Intelligenz ging ihr immer mehr auf die Nerven.
Wenigstens, das mußte man zu seinen Gunsten sagen, funktionierte er.
Wie ein Schweizer Uhrwerk. Anita sah auf die Uhr. Es war soweit. Sie
winkte freundlich lächelnd in die Runde und schritt die Treppe
hinunter zur Garderobe.
Nabel betrat den Verhörraum.
Pfeifer schien ihm sofort ins Gesicht springen zu wollen, schrie und brüllte.
Nabel verließ wortlos den Verhörraum und schloß hinter
sich zu. Der Kerl sollte erstmal lernen, sich zu benehmen. Sollte froh
sein, daß jemand bereit war, sich heute Nacht noch mit ihm zu beschäftigen.
Ahmed hatte Spätdienst, döste vor dem Telefon herum, und Nabel
wechselte ein paar belanglose Sätze mit ihm, über
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