Aussortiert
eine Art Gedenkartikel nachgereicht, in dem er als dümmlich-brutal
und ihr sexuell hörig, sie dagegen als moderne Lady Macbeth verkauft
wurde. Aus rasender Eifersucht habe sie das letzte Opfer, die naive
Maschka, Tschutschelows Gespielin, beseitigen lassen, finaler Baustein in
einem minutiös ausgeführten blutrünstigen Feldzug.
Murat Kursun schob inzwischen
unter einem neuem Namen Schreibtischdienst in Süddeutschland und
hoffte, binnen eines Jahres nach Berlin zurückkehren zu dürfen.
Kistners Treiben wurde von
Pfeifer im Prozeß zwar kurz angedeutet, aber nicht ernsthaft
thematisiert. Auf die Frage des Richters, ob Kistner investigative Gründe
gehabt haben könnte, kleinere Mengen Koks zu verteilen, antwortete
Pfeifer, ja, das sei möglich. Damit schienen alle zufrieden.
Die Liste von Kistners
Konsumenten wurde in den Giftschrank gesperrt. Seidel zeigte sich an einer
Veröffentlichung nicht interessiert. Später wurde die Liste von
ihm persönlich vernichtet, er machte nicht mal einen Hehl daraus.
Nackte Namen seien kein Beweis, auch könne die Polizei nicht daran
interessiert sein, das Koksproblem zu banalisieren, indem sie aufzeige,
wer alles eines habe.
Lidia Rauch bekam ihre eigene
Mordkommission, wurde, als zweite Frau überhaupt, Leiterin einer MK
in Berlin und zog ins schicke Süd-Charlottenburg um. Dadurch verloren
sie und Kai sich aus dem Blick. Sie wären beide frei gewesen, hätten
füreinander da sein können, doch nüchtern und mit etwas
Abstand betrachtet, schreckten sie davor zurück. Sie hatten nach der
Verhaftung Pfeifers kaum noch miteinander geredet, von beruflichen
Notwendigkeiten abgesehen.
Beide fühlten, daß
es einer intimen Aussprache bedurft hätte. Die eine wußte
nicht, ob sie dabei den Mut haben würde, nach der Wahrheit zu fragen,
oder wie wichtig ihr diese Wahrheit eigentlich war, der andere wußte
nicht, ob und wie er gegebenenfalls auf eine solche Frage antworten würde.
In drei Jahren, wenn alles
gut lief, konnte sich Nabel für die Nachfolge Seidels bewerben. Dann,
womöglich, boten sich günstigere Voraussetzungen.
Im November fand eine
Putzfrau Polohemd und Handschuhe hinter dem Schuhputzautomaten und gab
beides in die Altkleidersammlung.
Ein Nachspiel sonderbarer Art
besaß die Sache noch.
Ahmed, der in einem ganz
anderen Fall ermittelte, wurde eines Abends auf der Straße, genauer
gesagt in der Sonnenallee, nicht weit weg vom Hermannplatz, von zwei
Landsleuten in schwarzen Lederjacken angesprochen. Sie drängten ihm
ein Mäppchen mit Schnappverschluß auf, und einer der beiden
sagte auf türkisch:
»Herr Ümal möchte
sich bei Ihnen und Ihrem Vorgesetzten, Herrn Nabel, bedanken, dafür,
daß Sie ihn die ganze Zeit über fair behandelt haben. Er weiß
das zu schätzen und hofft auf eine lange und friedliche Koexistenz.«
Sie sagten ihren Spruch auf und spazierten, ohne es eilig zu haben, über
einen Hinterhof davon.
Ahmed öffnete das Mäppchen,
neugierig wie ein Kind. Die darin enthaltenen Fotos zeigten die Gräfin
Schönfels in delikaten Situationen, bis auf die Schnürstiefel
nackt zwischen anderen entblößten Stützen der
Gesellschaft. Prominente Nasen gab es zu sehen, die weißes Pulver
von gräflichen Genitalien schnupften.
Ach was, dachte Ahmed, ob das
meinen Chef freuen würde?
Und er entschied: Ja, das würde
Kai Freude machen. Bestimmt.
Nachwort
Vor ein paar Jahren erfüllte
ich mir zwei Wünsche. Ich hatte schon immer mal einen Kriminalroman
schreiben, sowie ein Buch unter Pseudonym veröffentlichen wollen.
Warum nicht beides verbinden? Es lag nahe. Wer mich ein wenig kennt, der
weiß, daß sich keine zwei meiner Bücher ähneln
sollen. Einfach wohl deshalb, weil ich mir selbst nicht langweilig werden
und in die Routine verfallen will, die viele Kollegen befällt, so sie
erst einmal auf dem Markt durchgesetzt sind und über eine gewisse
Leserschaft verfügen. Vielen literarischen Autoren wird nachgesagt,
sie könnten keine Krimis schreiben, das empfand ich als
Herausforderung. Einen konventionellen Krimi abzusondern, der im Leser
einfach nur mit erprobten, risikofreien Mitteln und Mustern Spannung
erzeugt, war mir denn doch zu wenig.
Thomas Hettche hatte mit Der
Fall Arbogast den beeindruckenden Beweis erbracht, daß ein
Kriminalroman inhaltlich wie sprachlich von hohem Niveau sein und nebenbei
noch eine
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