Aussortiert
aus vielen Jahren Praxiserfahrung halb unterbewußt
wie ins Blut übergegangener Automatismen abzurufen fähig war.
»Kai, du siehst aus,
als mußt du gleich kotzen.«
»Muß ich nicht.
Laß mich in Ruh! Tschuldigung. Mir ist nur … Ach, los,
bringen wirs hinter uns!«
Die vier Leibwächter
Tschutschelows warteten unten im Wohnzimmer auf ihre Vernehmung. Allesamt
darum wetteifernd, wer von ihnen in seiner Ehre am gekränktesten war,
plünderten sie die Schnapsbar und stießen im Sekundenabstand
wilde Flüche aus. Hinzugekommen zum Kreis der Hinterbliebenen waren
endlich auch Dschanow und die Gräfin Schönfels, beide sichtlich
entsetzt über das Geschehene. Nabel stieg die Treppe ins Erdgeschoß
auffallend gemächlich hinab, wie in Trance. Er ahnte, es würde
eine lange Nacht werden, voller Lügen, die er sich gar nicht erst anhören
wollte. An den erstaunten Hinterbliebenen vorbei spazierte er schweigend
in den Garten, genoß eine Zigarette – und nur weil Lidia ihn
darum bat, gefälligst Haltung anzunehmen, ging er wieder ins Haus zurück
und begann mit den Befragungen.
Wie auf dem Tablett wurde ihm
eine Verdächtige präsentiert. Die einzige bekannte Person, die
sich außer Tschutschelow selbst in der Villa befunden hatte, war das
Hausmädchen gewesen, ein zwanzigjähriges Ding aus Lemberg namens
Maschka, ihren Nachnamen wußte niemand, sehr wohl aber ihre Körbchengröße
– 75 C. In den Einzelgesprächen deuteten die Leibwächter
an, sie habe zu Tschutschelow vielleicht ein erotisches, aber sicher kein
vertrauliches Verhältnis gehabt. Niemand habe zu Tschutschelow ein
vertrauliches Verhältnis gehabt. Maschka war verschwunden. Allerdings
konnte keiner der Leibwächter mit letzter Sicherheit sagen, ob sie
zum Zeitpunkt des Mordes definitiv in der Villa gewesen war, sie übernachtete
dort nie, angeblich habe es ihretwegen Streit zwischen den Eheleuten
gegeben, über die Einzelheiten wollte keiner der Leibwächter
Bescheid wissen. Tschutschelow habe regelmäßig kurz vor
Mitternacht ein Bad genommen, sagte Anita aus, und auf die Frage, ob
vielleicht einer der Leibwächter der Täter gewesen sein könne,
antwortete sie mit einem erstaunlich lässigen Warum nicht? jeder von
denen hat zwei Hände und zwei Füße.
Die Leibwächter sahen zu
Boden, wie beschämte Bauerntölpel.
Nabel notierte das Alibi der
Gräfin, ließ es auch überprüfen. Ahmed saß draußen
im Wagen und koordinierte die im Minutentakt eintreffenden Mitarbeiter,
wies ihnen Aufgaben zu. Den Nachtdienst auf dem Revier hatte er der
Basemann übertragen.
Dschanow präsentierte
beinahe stolz die Quittung einer Tankstelle, ausgestellt um zehn vor zwölf
in Berlin-Tiergarten, und beiläufig versäumte er nicht zu erwähnen,
daß diese Tankstelle bestimmt videoüberwacht werde und ihn beim
Tanken gefilmt habe. Nabel haßte es, solche Angaben dennoch der Form
halber verifizieren, Zeit verschwenden zu müssen.
»Wer sind Sie denn
eigentlich?« Er wollte, daß es so herablassend wie möglich
klang.
Dschanow murmelte, er sei der
Geschäftsführer des Herrn Tschutschelow gewesen. Auf die etwas
barsche Frage, ob er das nun nicht mehr sei, lächelte Dschanow knapp,
gab sich danach sofort erneut nach Kräften zerknirscht.
»Und diese Maschka,
diese Zwanzigjährige, welches Motiv könnte die gehabt haben?«
Es gebe, sagte Dschanow, für
eine Frau jede Menge Motive, einen Mann zu töten, verständliche
und unverständliche, auf der Hand liegende wie geheimnisvolle. Woher
solle man das wissen?
»Aha. Jetzt aber mal
was ganz Einfaches: Wer hat Maschka zuletzt hier gesehen und wann?«
Einer der Leibwächter
erinnerte sich, gegen zehn ihre Schritte auf der Treppe gehört zu
haben, es müsse wohl Maschka gewesen sein, Tschutschelow habe nie
Schuhe mit Absätzen getragen.
»Aha. Und ihr, Jungs,
ihr seid vier Wachposten, für jede Himmelsrichtung einer, aber keiner
will gesehen haben, wie sie das Haus verließ?«
Die vier Männer
wechselten beleidigte Blicke, so, als wollten sie diese offenkundige
Tatsache nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen. Einer, der mit 32
Jahren älteste des Quartetts, ein blondierter Hüne mit
Pferdeschwanz, meinte, es sei schon möglich, bei völliger
Dunkelheit unbemerkt aus dem Haus zu schlüpfen, wenn man das
geschickt anstelle. Sowas lasse sich nicht hundertprozentig verhindern,
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