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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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aus vielen Jahren Praxiserfahrung halb unterbewußt
     wie ins Blut übergegangener Automatismen abzurufen fähig war.
    »Kai, du siehst aus,
     als mußt du gleich kotzen.«
    »Muß ich nicht.
     Laß mich in Ruh! Tschuldigung. Mir ist nur … Ach, los,
     bringen wirs hinter uns!«       
    Die vier Leibwächter
     Tschutschelows warteten unten im Wohnzimmer auf ihre Vernehmung. Allesamt
     darum wetteifernd, wer von ihnen in seiner Ehre am gekränktesten war,
     plünderten sie die Schnapsbar und stießen im Sekundenabstand
     wilde Flüche aus. Hinzugekommen zum Kreis der Hinterbliebenen waren
     endlich auch Dschanow und die Gräfin Schönfels, beide sichtlich
     entsetzt über das Geschehene. Nabel stieg die Treppe ins Erdgeschoß
     auffallend gemächlich hinab, wie in Trance. Er ahnte, es würde
     eine lange Nacht werden, voller Lügen, die er sich gar nicht erst anhören
     wollte. An den erstaunten Hinterbliebenen vorbei spazierte er schweigend
     in den Garten, genoß eine Zigarette – und nur weil Lidia ihn
     darum bat, gefälligst Haltung anzunehmen, ging er wieder ins Haus zurück
     und begann mit den Befragungen.
    Wie auf dem Tablett wurde ihm
     eine Verdächtige präsentiert. Die einzige bekannte Person, die
     sich außer Tschutschelow selbst in der Villa befunden hatte, war das
     Hausmädchen gewesen, ein zwanzigjähriges Ding aus Lemberg namens
     Maschka, ihren Nachnamen wußte niemand, sehr wohl aber ihre Körbchengröße
     – 75 C. In den Einzelgesprächen deuteten die Leibwächter
     an, sie habe zu Tschutschelow vielleicht ein erotisches, aber sicher kein
     vertrauliches Verhältnis gehabt. Niemand habe zu Tschutschelow ein
     vertrauliches Verhältnis gehabt. Maschka war verschwunden. Allerdings
     konnte keiner der Leibwächter mit letzter Sicherheit sagen, ob sie
     zum Zeitpunkt des Mordes definitiv in der Villa gewesen war, sie übernachtete
     dort nie, angeblich habe es ihretwegen Streit zwischen den Eheleuten
     gegeben, über die Einzelheiten wollte keiner der Leibwächter
     Bescheid wissen. Tschutschelow habe regelmäßig kurz vor
     Mitternacht ein Bad genommen, sagte Anita aus, und auf die Frage, ob
     vielleicht einer der Leibwächter der Täter gewesen sein könne,
     antwortete sie mit einem erstaunlich lässigen Warum nicht? jeder von
     denen hat zwei Hände und zwei Füße.
    Die Leibwächter sahen zu
     Boden, wie beschämte Bauerntölpel.
    Nabel notierte das Alibi der
     Gräfin, ließ es auch überprüfen. Ahmed saß draußen
     im Wagen und koordinierte die im Minutentakt eintreffenden Mitarbeiter,
     wies ihnen Aufgaben zu. Den Nachtdienst auf dem Revier hatte er der
     Basemann übertragen.
    Dschanow präsentierte
     beinahe stolz die Quittung einer Tankstelle, ausgestellt um zehn vor zwölf
     in Berlin-Tiergarten, und beiläufig versäumte er nicht zu erwähnen,
     daß diese Tankstelle bestimmt videoüberwacht werde und ihn beim
     Tanken gefilmt habe. Nabel haßte es, solche Angaben dennoch der Form
     halber verifizieren, Zeit verschwenden zu müssen.
    »Wer sind Sie denn
     eigentlich?« Er wollte, daß es so herablassend wie möglich
     klang.
    Dschanow murmelte, er sei der
     Geschäftsführer des Herrn Tschutschelow gewesen. Auf die etwas
     barsche Frage, ob er das nun nicht mehr sei, lächelte Dschanow knapp,
     gab sich danach sofort erneut nach Kräften zerknirscht.
    »Und diese Maschka,
     diese Zwanzigjährige, welches Motiv könnte die gehabt haben?«
    Es gebe, sagte Dschanow, für
     eine Frau jede Menge Motive, einen Mann zu töten, verständliche
     und unverständliche, auf der Hand liegende wie geheimnisvolle. Woher
     solle man das wissen?
    »Aha. Jetzt aber mal
     was ganz Einfaches: Wer hat Maschka zuletzt hier gesehen und wann?«
    Einer der Leibwächter
     erinnerte sich, gegen zehn ihre Schritte auf der Treppe gehört zu
     haben, es müsse wohl Maschka gewesen sein, Tschutschelow habe nie
     Schuhe mit Absätzen getragen.
    »Aha. Und ihr, Jungs,
     ihr seid vier Wachposten, für jede Himmelsrichtung einer, aber keiner
     will gesehen haben, wie sie das Haus verließ?«
    Die vier Männer
     wechselten beleidigte Blicke, so, als wollten sie diese offenkundige
     Tatsache nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen. Einer, der mit 32
     Jahren älteste des Quartetts, ein blondierter Hüne mit
     Pferdeschwanz, meinte, es sei schon möglich, bei völliger
     Dunkelheit unbemerkt aus dem Haus zu schlüpfen, wenn man das
     geschickt anstelle. Sowas lasse sich nicht hundertprozentig verhindern,
    

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