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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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aber es ist die Wahrheit, der Wagen
     ist mir gestohlen worden, und was das Schlimmste ist …«
    »Ja?«
    »Es kann durchaus möglich
     sein, daß König mit diesem meinem Wagen angefahren wurde. Es
     kann verdammt gut möglich sein, daß mir jemand was in die
     Schuhe schieben will.«
    Pfeifer sagte in diesem Punkt
     aparterweise die Wahrheit. Nabel hob die Brauen. Was ihm da aufgetischt
     wurde, hätten die meisten Kriminaler als einzig mögliche,
     dennoch schwache Ausrede betrachtet und sofort verworfen. Nabel hingegen
     hatte sich immer einen Schuß Phantastik bewahrt, er zog zumindest
     die Möglichkeit in Betracht, daß Pfeifers Wagen tatsächlich
     gestohlen worden war. Es paßte in seine Theorie von einem
     dahinterstehenden Clan.
    »Pfeifer – Sie können
     sich jetzt hinter Ihrem toten Chef verstecken und mir Märchen ohne
     Ende auftischen, Sie haben recht, ich muß Ihnen erst das Gegenteil
     beweisen. Könnte schwer werden. Aber falls das mit Ihrem Wagen
     stimmt, dann würde das ja bedeuten, daß jemand einen ganz ganz
     schlimmen Verdacht auf Sie lenken will und derjenige Ihnen weißgott
     nicht wohlgesonnen ist, hab ich recht?«
    Pfeifer nickte heftig. Da
     habe Nabel absolut recht, absolut. König sei tot? Das sei ja
     furchtbar. Ganz furchtbar.
    Nabel biß sich auf die
     Lippen und bemühte sich, seinen Lapsus zu überspielen. »Na
     also, wenn das so furchtbar ist, dann bitten Sie mich doch einfach um
     Hilfe!«
    Pfeifer sah zu Boden, verbarg
     den Kopf in beiden Handflächen und gab für mehrere Minuten bis
     auf ein leises Schluchzen keinen Laut von sich. Wenn er in diesem Moment hätte
     argumentieren wollen, hätte er gesagt, daß Nabel ihm keinen
     Schutz bieten könne. In den USA, dort wäre das
     Zeugenschutzprogramm ausreichend dicht geknüpft gewesen, um ihm,
     Pfeifer, die nötige Protektion zu gewähren, im Sinne einer
     Kronzeugenregelung. Hier im viel zu engen Deutschland – keine
     Chance.
    Während Pfeifer das
     alles zwar nicht explizit sagte, es aber allein durch sein Schweigen
     irgendwie doch mitteilte, entstand ein beinahe intimer Moment, wie
     zwischen Katholik und Beichtvater, wenn das Substantielle, das
     Unaussprechliche umschifft und doch soweit angedeutet werden muß, um
     Verständnis zu erreichen, samt einer Basis für Reue, Buße
     und Vergebung. Nabel genoß den Augenblick. Und verabscheute ihn
     zugleich. Er hatte instinktiv begriffen, daß Pfeifer abkömmlich,
     ein aussortierter Haufen Dreck war. Es galt nur noch, ihn in eine Position
     zu lotsen, aus der heraus er sich gezwungen sah zu kollaborieren.
    Umso ekelhafter, fast
     unentschuldbar, die Störung. Ahmed platzte herein, ohne zu klopfen.
    »Chef! Es ist was
     passiert.«
    »Du störst!«
    »Sorry, es ist wirklich
     wichtig!«
    Ahmed wechselte vor der Tür
     ein paar geflüsterte Worte mit seinem Chef. Der wurde blaß,
     betrat das Zimmer noch einmal, eröffnete Pfeifer, er werde über
     Nacht auf jeden Fall hierbehalten, man werde morgen früh neu
     entscheiden. David Pfeifer nahm das stumm, mit ausdruckslosem Gesicht zur
     Kenntnis.
    Anita von Schönfels und
     Ruslan Andriko Dschanow kamen kurz vor halb eins in der Wilmersdorfer
     Villa an. Es war durchaus nichts Ungewöhnliches, daß ein Vize
     die Frau seines Paten persönlich durch die Stadt kutschierte. So
     etwas zählte nicht etwa zu ehrenrührig niederen
     Dienstverrichtungen, sondern galt im Gegenteil als Auszeichnung, als
     Signum höchsten Vertrauens. Die Limousine hielt am Gehsteig gegenüber
     der Villa, vor der schon zwei Streifenwagen parkten. Auf dem Rasen stand
     das Quartett von Tschutschelows Bodyguards, rauchend und heftig
     gestikulierend. Sogar die Leichenbestatter waren schon eingetroffen, die
     Jungs mit den grauen Mützen hatten beschlossen, in ihrem Mercedes
     Karten zu spielen, bis sie von der Spurensicherung an ihren Arbeitsplatz
     geholt werden würden.
    Dschanow konnte und mußte
     auch gar nicht so tun, als träfe ihn die Nachricht von Tschutschelows
     Tod wie ein Schlag vor der Haustür. Einer der Leibwächter hatte
     ihn bereits vor einer dreiviertel Stunde per Handy unterrichtet. Dschanow
     hatte umgehend veranlaßt, die üblichen Behörden zu rufen.
     Jetzt bog auch Ahmed in die Straße ein, hinten im Auto saßen
     Nabel und die unterwegs aufgegabelte Lidia. Die frischgebackene Witwe von
     Schönfels entschloß sich, vorerst nicht hysterisch schreiend
     ins Haus zu rennen, sondern, so lange es irgendwie ging, in der
    

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