Australien 01 - Wo der Wind singt
überwinden, etwas zu ihr zu sagen. Er sah ihr einfach mit unbewegtem Gesicht zu, wie sie auf ihn zukam.
In den letzten Wochen war ihr Verhältnis mehr als nur angespannt gewesen. Felicity hatte seit dem Tag, an dem Kate nach Rutherglen gekommen war, geahnt, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie wollte wissen, was los war und hatte so lange nachgebohrt, bis er es ihr schließlich gesagt hatte. Von dem Wutanfall, den diese Information bei ihr ausgelöst hatte, war er dann völlig überwältigt gewesen. Jetzt lag das Wissen, dass er Nells Vater war, wie eine offene Wunde zwischen ihnen.
Nick richtete sich auf und ging auf sie zu, legte seine Hand auf ihren Rücken und führte sie zum Pick-up. Keiner von beiden verzog auch nur die Miene.
»Hast du einen Mantel oder etwas Ähnliches dabei?«, fragte er sie schließlich.
»Ja, danke, Nick«, antwortete sie ihm schroff. »Und vielen Dank auch, dass du mir ein so nettes Kompliment zu meinem Aussehen gemacht hast.«
»Tut mir leid«, sagte er. »Aber das versteht sich doch von selbst. Du siehst wie immer fantastisch aus. Ich mache mir nur Sorgen, dass du dich erkälten könntest.«
»Ihr Farmer. Bei euch muss immer alles praktisch sein. Für Romantik ist da kein Platz, oder?« Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Die Sonne ließ die Glitzerpartikel in ihrem Puder und ihrem Rouge aufleuchten. Nick öffnete ihr die Wagentür und forderte sie mit einer übertriebenen Geste zum Einsteigen auf.
»Ich habe eine Jacke und ein Paar Schuhe zum Wechseln dabei.« Sie nahm die Tasche von ihrer Schulter und drückte sie ihm in die Hand. »Du könntest mir ruhig ein bisschen mehr zutrauen.«
Er sah zu, wie sie ihre sorgfältig mit Wachs enthaarten, eingecremten und gebräunten Beine elegant in den Pick-up schwang und ihre Füße in den hochhackigen Schuhen vorsichtig auf die schmutzige und mit Steinchen übersäte Fußmatte setzte. Er wusste ganz genau, was sie jetzt gerade dachte. Nämlich, dass er den Wagen hätte reinigen sollen.
Nick hatte inzwischen hinter dem Steuer Platz genommen und startete den Motor. Zugleich erwachte auch das Radio zum Leben. 1620 AM Country Music Tamworth, ein wenig verrauscht, da das Programm vom Festland kam. Gerade lief Tania Kernaghans neuester Song.
»Yee ha, it’s going to be a wild ride, Yee ha! That’s how I wanna live our lives …«
Nick drehte lauter und spürte dabei wieder dasselbe Schwindel erregende Kribbeln im Bauch, wie damals, als er das letzte Mal zu einem B&S gefahren war. Er fragte sich, ob Kate Webster auch kommen würde, und hoffte, dass es so wäre. Er musste sie unbedingt wiedersehen. Er griff unter den Sitz, zog zwei Dosen Bundy hervor und bot
Felicity eine davon an. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Ohrringe klimperten. Nick öffnete die Dose und trank einen großen Schluck der süßen, dunklen Flüssigkeit. Er wünschte sich, dass Felicity wenigstens hin und wieder einmal etwas mit ihm trinken würde.
Felicity stellte das Radio leiser. »Können wir uns nicht etwas anderes anhören?«
»Warum? Der Song ist doch gut.« Er stellte das Radio wieder lauter und sang dann mit: »I love you just the way you are. Yee ha!« Felicity seufzte und starrte dann wortlos aus dem Fenster. Nachdem sie ein paar Minuten geschwiegen hatte, stellte sie die Musik wieder leiser.
»Es funktioniert so nicht.«
»Doch, natürlich tut es das. Der Empfang ist nur nicht besonders gut«, sagte Nick und stellte das Radio wieder lauter.
»Jetzt stell dich nicht so dumm«, sagte sie und drehte die Musik wieder leiser. »Ich meine doch nicht das Radio.«
Nick starrte unverwandt auf die Straße vor ihnen.
»Rede mit mir«, sagte sie schließlich.
»Worüber?«
»Über irgendetwas. Über uns zum Beispiel.«
»Und was soll ich sagen?«
»Irgendetwas.«
Nick schwieg. Irgendwann sagte er dann völlig frustriert. »Warum sollen wir über uns sprechen, wenn wir doch darüber sprechen könnten, dass Dad ein Krüppel und Mama deshalb das reinste Nervenbündel ist. Das ist doch genau das, worüber wir am meisten sprechen. Ist es nicht so?«
Felicity schloss verärgert die Augen, erwiderte jedoch nichts.
Nick hätte sie am liebsten angebrüllt, wollte ihr sagen, dass er, wenn sie Kate wäre, mit ihr über die Dinge sprechen könnte, die ihm wichtig waren. Zum Beispiel, was er, da es noch immer nicht geregnet hatte, mit den Zuchtrindern tun sollte. Oder was er gegen die Käferlarven auf den oberen Weiden unternehmen sollte. Oder aber er dürfte, wenn
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