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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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hatte sie Lance mehr als ein Jahr lang gepflegt. Ihre Anwesenheit musste in Bezug auf Nick also überhaupt nichts bedeuten.

    »Können wir jetzt fahren?«, fragte Kate, da sie einfach nicht den Mut aufbrachte, aus dem Wagen zu steigen und der Familie ihr Beileid auszusprechen.
    Dann sah sie, dass Nick sie entdeckt hatte. Sein Gesicht wirkte entsetzlich angespannt. Es war ein Anblick, der Kate sehr wehtat. Sie sprang aus dem Wagen und ging zu ihm hinüber. Er hatte seine Mutter losgelassen und kam jetzt ebenfalls auf sie zu.
    Sie begrüßten sich mit einer kurzen Umarmung, die jedoch heftig und voller Emotionen war, dann löste sich Nick wieder von ihr und trat einen Schritt zurück. Wie er da in seinem Anzug und der hellblauen Krawatte vor ihr stand, sah er unglaublich gut aus. Die Anspannung der vergangenen Tage stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, aber seine gebräunte Haut hatte nichts von ihrem lebendigen Strahlen verloren.
    »Es tut mir so leid«, sagte Kate.
    »Mir auch.«
    »Es tut mir wirklich leid. Alles.«
    »Ich weiß«, sagte er. Sie sahen einander eine Weile in die Augen. Dann sagte Nick: »Kommst du mit zur Farm?«
    »Ja. Wenn das in Ordnung ist.«
    Autotüren knallten, als Angus Alice beim Einsteigen half und dann Nick etwas zurief.
    »Natürlich ist es das. Aber ich sollte jetzt besser gehen. Danke, dass du gekommen bist«, sagte Nick abrupt.
    Er drehte sich um und ging zu seinem Wagen. Kate sah ihm dabei zu, wie er Felicity die Beifahrertür öffnete. Sie warf Kate einen kurzen Blick zu, bevor sie einstieg. Nick hob seine Hand zu einem kurzen Gruß und nahm dann neben seiner Mutter im Auto Platz.

    In Rutherglen versammelten sich die Trauergäste auf der großen Veranda des alten Farmhauses. Eine Gruppe von Jungen lungerte mit Bierflaschen in den kräftigen Händen um den Tisch mit dem Essen herum und stopfte sich schweigend Sandwiches in den Mund. Beleibte Farmerfrauen mit üppigem Busen und bunten Schürzen eilten umher
und trugen einen anscheinend endlosen Nachschub an belegten Brötchen und Kuchen herbei.
    Trotz der weißen Leinentischdecken und des feinen Porzellans wirkte das Farmhaus irgendwie heruntergekommen. Die Farbe blätterte von den hölzernen Pfosten der Veranda ab, und hinter den Fliegengittern der ungenutzten Fenster hatten Spinnen dichte Netze gesponnen. Dies war ein so riesiges, aber auch ein so bedrückendes Haus, dass Kate sich unwillkürlich fragte, warum ein Mädchen wie Felicity es als begehrenswertes Prestigeobjekt ansah. Dann wurde ihr bewusst, dass sie schon wieder eifersüchtig auf Felicity war. Sie beneidete sie, weil sie zu Nicks Familie gehörte, während ihr selbst dies versagt blieb. Felicity hatte sich allerdings alles Recht der Welt erworben, zur Familie zu gehören, ermahnte Kate sich streng. Dennoch hatte sie plötzlich wieder diese Zweifel an Nick. Auf dem Friedhof hatte er so distanziert, so unnahbar gewirkt. Aber wer wäre das kurz nach der Beerdigung seines Vaters nicht gewesen?
    Kate ging über die Veranda mit ihren abgetretenen Dielen, nahm sich einen Teller mit Sandwichs und stieg dann die steinernen Stufen zum Rasen hinunter. Als sie an einer Gruppe älterer Männer und Frauen vorbeiging, die miteinander plauderten, erschrak sie zutiefst, als sie Annabelle und Henry sah. Dann fiel ihr wieder ein, dass Lance gesagt hatte, er kenne Henry von früher. Es war selbstverständlich, dass die beiden auch hier waren. Lance war ein angesehener und geachteter Farmer gewesen. Jetzt hatte ihr Vater sie ebenfalls gesehen. Er hob grüßend seine Teetasse. Es war eine Tasse aus feinem Porzellan mit Blumenmuster, die in seinen großen Händen völlig deplatziert wirkte. Annabelle, die neben ihm stand, führte gerade eine ebensolche Tasse elegant an ihre Lippen. Ihre Augen wurden schmal, als sie Kate sah, dann drehte sie ihr demonstrativ den Rücken zu. Kate ging weiter.
    Auf dem Rasen ließ Kate dann ihren Blick über die großen, alten immergrünen Bäume zum Himmel hinaufwandern. Ein Wetterumschwung kündigte sich an. In nicht allzu großer Entfernung türmten sich bereits riesige graue Wolken auf. In die warme Luft mischten sich kühle Böen, und es wurde merklich dunkler.

    »Ihr solltet so schnell wie möglich aufessen«, sagte Kate. »Es sieht nämlich aus, als würde es bald ein Gewitter geben.« Sie drückte den Zwillingen und Nell jeweils ein Sandwich in die Hand. »Wie sagt man?«
    »Sandwich!«, krähte Nell.
    »Ja … und wie sagt man

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