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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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ihre gemeinsame Zeit denn überhaupt nichts?
    Kate streckte instinktiv die Arme aus, um Nell an sich zu drücken, die neben ihr gesessen und eifrig Gänseblümchen gepflückt hatte. Aber Nell war nicht da. Kate sah sich suchend um, konnte sie jedoch weder auf dem Rasen noch in der Nähe des Hauses entdecken. Sie sah nur Janie und die Zwillinge, die zusammen mit den anderen Trauergästen auf der Veranda vor dem Wind Schutz gesucht hatten. Kate stand auf und drehte sich um.
    Dann sah sie mit großer Erleichterung, dass Nell gerade in das kleinen Wäldchen hineinhüpfte, das an den Rasen angrenzte. Kate begann auf jene Stelle zuzulaufen, an der Nell zwischen den riesigen, alten Bäumen verschwunden war. Dabei wurde sie von einer so heftigen Windböe getroffen, dass sie beinahe zu Fall gekommen wäre.
    »Nell?«, rief sie. Der Wind riss ihren Schrei mit sich fort. Er schüttelte die Baumwipfel so heftig, dass Kate angst und bange wurde. In diesem Moment hörte sie ein lautes Knacken und ein Stöhnen, als sich ein riesiger Ast aus dem Blätterdach löste und zu Boden krachte.
    »Nell!«, schrie Kate. Sie rannte los. Ihr Beine trugen sie voran, ihre Schritte fraßen die Distanz. Sie sah dicke alte Äste, die einander wie Dominosteine mitrissen und sich dann mit großer Wucht in den Boden bohrten. Schon bald befand sie sich mitten zwischen den Bäumen, kämpfte sich durch einen Wall aus herabgestürzten Ästen, rief weinend immer wieder Nells Namen. Überall um sie herum brauste und tobte der Sturm.
    Die Leute auf der Veranda hörten das Krachen und sahen, wie die knorrigen alten Äste brachen. Sie sahen, dass Kate losrannte, und wussten instinktiv, dass irgendetwas Entsetzliches passiert sein musste. Hörten den Schrei einer Mutter. Sie waren bei ihr, noch bevor es ihr richtig bewusst wurde. Sie kletterten in ihren feinen Anzügen und eleganten Kleidern über die Äste und suchten in dem dunklen Wirrwarr hundertjähriger Bäume nach einem kleinen Kind.
    »Meine Tochter! Sie ist irgendwo dort drin. Meine kleine Tochter! O Gott! Nellie!«, schrie Kate. »Bitte nimm sie mir nicht auch noch!« Als der Wind um sie herum brauste und toste, hatte sie das Gefühl, ihr würde das Herz brechen.
    Kate schluchzte, als sie sich durch die Äste kämpfte und verzweifelt nach dem blauen Gingham-Kleid Ausschau hielt. Ihre Hände, die sie sich an spitzen Ästen aufgerissen hatte, waren blutverschmiert. Sie stolperte, fiel hin und schlug sich dabei ihr Knie auf. Dann spürte sie, wie sie von zwei kräftigen Armen festgehalten wurde. Es war Nick. Sein Gesicht war aschfahl.
    »Sie haben sie schon gefunden, Kate.« Er zog sie an seine Brust. »Beruhige dich. Sie haben sie doch schon gefunden.« Sie klammerte sich an ihn. Schloss die Augen, versuchte nicht zu schreien. Sie wünschte sich verzweifelt, dass es endlich zu stürmen aufhören würde. Sie hörte überall um sich herum Stimmen, konnte jedoch nicht verstehen, was sie sagten. Die deutlichste von allen war die von Felicity.

    »Sie hat einen Schock«, hörte Kate sie sagen. »Gib mir deine Jacke. «
    Kate spürte, wie jemand ihr etwas über die Schultern legte. Sie zitterte am ganzen Körper. Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass sie selbst diejenige war, von der hier die Rede war.
    »Alice, du bleibst bei ihr«, sagte Felicity. »Nick. Den Verbandkasten. In meinem Auto. Los. Schnell!«
    Kate war völlig benommen. Sie spürte, dass Alice einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte und sie sanft dazu veranlasste, sich auf den Boden zu setzen. Eine Hand strich ihr leicht übers Haar. Die Hand einer Mutter. Tröstlich und voller Fürsorge.
    »Nellie. Nellie«, rief Kate, während sich ihre Finger in das Gras und die vermoderten Blätter vom letzten Herbst gruben. »O Gott, Nellie!«
    »Pssst, pssst.« Alice zog Kates Kopf an ihre Brust. »Es geht ihr gut, Kate. Der Kleinen geht es gut. Es ist ihr nichts passiert.«
    Kate hörte Alices Worte, aber sie ergaben keinen Sinn. Nell war tot. Dessen war sich Kate absolut sicher. So war es immer in ihrem Leben. Jeder, den sie liebte, wurde ihr genommen.
    »Wo ist sie?« Kate versuchte aufzustehen, sah zwischen den Bäumen hindurch zu einer Gruppe von Menschen hinüber. Kate sah, wie Nick angerannt kam und Felicity einen Kasten in die Hand drückte.
    »Nein«, stöhnte Kate. »Ich will nicht, dass meine Kleine stirbt.«
    »Sie stirbt nicht, meine Liebe«, beruhigte Alice sie, während sie mit ihr über das Gewirr von Ästen stieg und sie dabei

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