Australien 01 - Wo der Wind singt
entgegen. »Kate«, sagte er müde. »Annabelle und ich haben uns entschieden.«
»Wozu?«
»Das weißt du. Ich habe versucht, es dir persönlich zu sagen. Aber du willst ja mit dem Ganzen nichts zu tun haben. Genauso wenig wie mit uns.«
Kate starrte zu Boden.
»Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Und das tut mir auch leid. Aber das alles ist mir ganz und gar nicht egal. Wirklich! Es ist nur so … Ich war so … so wütend.« Kate wurde jetzt derart von ihren Emotionen überwältigt, dass sie all ihre einstudierten Worte vergaß. Sie ging einen Schritt auf ihren Vater zu. »Sieh dir die Pläne wenigstens
einmal an. Bitte, Dad. Ich habe alles bis ins Detail ausgearbeitet. Gemeinsam können wir es schaffen. Und das ist das, was Mama immer gewollt hat.« Kate sah, wie Henry zusammenzuckte, als sie Laney erwähnte.
»Glaubst du nicht, dass es dafür ein bisschen zu spät ist?«, fragte er bitter. »Wir haben uns entschieden.«
Kate spürte Panik in sich aufsteigen. Und diese Panik äußerte sich als Zorn. »Habe ich denn überhaupt kein Mitspracherecht?«
»Kate, hör auf. Bis jetzt wolltest du dieses Mitsprachrecht doch nie haben. Du bist abgehauen und hast alles mir und Will überlassen.«
»Das stimmt nicht! Du wusstest, dass ich bei Maureen bin. Du hättest mich jederzeit besuchen können.«
»Du begreifst es anscheinend immer noch nicht«, brüllte Henry sie jetzt an. Dann senkte er seine Stimme und sagte in ersticktem Ton: »Du hast keine Ahnung, wie schlimm es für mich war, deine Mutter zu verlieren.«
Für einen kurzen Moment sah Kate den Schmerz in den Augen ihres Vaters. Sie dachte an Nick und daran, wie sehr sie ihn liebte. Endlich verstand sie, wie sehr der Tod ihrer Mutter ihren Vater getroffen hatte.
»Ich wollte immer hier auf Bronty leben, Dad«, sagte sie. »Immer! Ich war einfach nur jung und dumm und wütend! Ich konnte nicht akzeptieren, dass die da …« Sie zeigte zum Haus hinüber und meinte damit Annabelle »jetzt zu deinem Leben gehören soll. Es tut mir leid, das zu sagen, Dad. Aber es ist mir einfach zuwider, sie an Mamas Platz zu sehen.«
»Hier geht es nicht um Annabelle«, sagte Henry.
»Aber du verkaufst doch nur ihretwegen die Farm! Wie kannst du sie verkaufen, wenn die Träume, die Will und Mama hatten, noch immer verwirklicht werden können?«
»Kate, tu das nicht. Bitte. Es ist meine Entscheidung, die Farm zu verkaufen, und nicht die von Annabelle. Es gibt hier einfach nichts mehr, was mir noch etwas bedeuten würde.«
»Das stimmt nicht«, sagte Kate. Sie bot ihm wieder die Pläne an,
flehte ihn an: »Bitte, Dad. Schau dir das doch wenigstens einmal an. Bitte.« Ihre Hände zitterten. Sie schämte sich zutiefst dafür, dass sie ihrem Vater so viele Jahre lang Schmerz bereitet hatte. Genau wie sie Will wehgetan hatte, und das, obwohl sie ganz genau gewusst hatte, dass er immer alle Brände gelöscht hatte, die sie in ihrer Familie gelegt hatte. »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich schrecklich leid«, sagte Kate noch einmal, und ihre Stimme brach dabei.
Nell war jetzt aufgewacht und rief nach ihr. Kate legte die Mappe vor Henrys Füße auf den Boden und ging dann zu ihrem Pick-up. Sie nahm Nell auf den Arm und kehrte mit ihr zu ihrem Vater zurück. Kate überkam ein unendliches Bedauern über die vielen verlorenen Jahre. Janies Worte taten ihre Wirkung. Und auch die ihres Vaters. Aber jetzt war es zu spät, um noch irgendetwas zu ändern. Sie vergrub ihr Gesicht an Nells Hals und begann stumm zu weinen. Sie empfand nur noch eine tiefe Traurigkeit und einen großen Abscheu vor sich selbst. Sie war unendlich verbittert, dass sie so lange gebraucht hatte, um so weit zu reifen, dass sie sich selbst so sah, wie sie war.
»Ach! Arme Mami«, tröstete Nell sie. Sie streichelte Kate übers Haar. »Opa, Mami ist traurig. Einen Kuss für Mami.«
In diesem Moment schallte Annabelles scharfe Stimme über den Hof. Sie ging mit energischen Schritten auf die drei zu. Mit ihrem sonnengebräunten Teint und ihren modisch nach oben frisierten blondgrauen Haaren sah sie geradezu wie ein Musterbeispiel der perfekten und bezaubernden Farmerfrau aus.
»Bilde dir bloß nicht ein, du könntest hierherkommen und ihm dieses Kind vor die Nase halten, um deinen Willen zu bekommen«, sagte sie und baute sich dann, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihr auf. »Nach dem, was du mit unserem Haus gemacht hast, bist du hier nicht mehr willkommen. Du magst es vielleicht komisch finden, Schafe
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