Australien 01 - Wo der Wind singt
aus einer Schachtel und hielt es hoch.
»Oh«, sagte sie. Dann drehte sie sich um und verließ wortlos den Schuppen, sie ärgerte sich immer noch maßlos darüber, dass Nick seine eigene Arbeit eine ganze Woche lang hatte liegen lassen, nur um bei Kate Webster bei der Schafschur zu helfen.
»Ich sehe jedenfalls, dass du anscheinend lieber mit deinem Hund als mit mir tanzt«, murmelte sie leise vor sich hin, als sie zu ihrem Pferd ging, um es abzuspritzen.
Das Klappern von Besteck und das Klirren von Porzellantellern erfüllte die Küche von Rutherglen, als Felicity und Alice, Nicks Mutter, gemeinsam den Tisch zum Mittagessen deckten. Lance zuckte vor Schmerz zusammen, als er sich auf seinem Stuhl an der Stirnseite niederließ. Er begann mit seinen dicken Fingern das geblümte Platzdeckchen glatt zu streichen, während er den Frauen bei ihrer Arbeit zusah. Alice schnitt eine Quiche in Stücke, während Felicity eine Salatschüssel auf den Tisch stellte.
»Ah! Da ist er ja«, rief Felicity fröhlich, als Nick den Raum betrat. »Gerade rechtzeitig.«
Nick warf ihr ein halbherziges Lächeln zu und ließ sich dann auf seinen Stuhl fallen.
»Der Traktor geht noch immer nicht«, sagte er. »Ich muss wohl mit der Hand füttern.«
Lance gab ein schnaufendes Geräusch von sich. Nick sah seinen
Vater an, sah dessen hängende Mundwinkel und die teigigen Backen, die mit schwarzen und silbernen Bartstoppeln bedeckt waren. Nick wusste, dass sein Vater seine Worte als Angriff aufgefasst hatte. Sein Vater verstand alles, was er sagte, als Vorwurf, dass er ihm nicht bei der Arbeit auf der Farm half, dass er nicht wieder gesund wurde. Nutzloser als ein verkrüppelter Hütehund. So jemandem sollte man den Gnadenschuss geben, sagte sein Vater manchmal.
»Ich hab keinen Hunger«, brummte Lance, als Alice ein Stück Quiche vor ihn hinstellte.
»Iss wenigstens ein kleines Stück«, redete ihm Alice gut zu.
»Es wird dir guttun«, warf Felicity ein. Beide Frauen drehten sich um und gingen zu der Anrichte, wo bereits die anderen Teller standen.
»Es scheint draußen ziemlich warm zu sein«, sagte Alice, als sie einen Blick durch das Küchenfenster in den Garten warf. »Es wäre schön, wenn wir einen kurzen Winter bekämen. Einen langen könnte ich nämlich nicht ertragen.«
»Es wäre noch schöner, wenn es endlich wieder einmal regnen würde«, fügte Lance hinzu, als er mit sichtlicher Überwindung seine Gabel in die Hand nahm.
»Hast du nicht gesagt, dass die Websters einen Schauer abbekommen haben?«, fragte Alice und stellte dabei einen Teller vor Nick hin. Er griff nach der Tomatensoße.
»Zwölf Millimeter«, sagte Nick. »bei Weitem nicht genug, um die Schafschur zu unterbrechen.«
»Der Regen ist wenigstens etwas«, sagte Alice. »Nach all dem Unglück, das sie getroffen hat.«
»Sie können von Glück sagen, dass du ihnen letzte Woche geholfen hast«, sagte Felicity, »zumal es hier auch viel Arbeit gibt und du normalerweise nie für etwas anderes Zeit hast.«
Felicitys Worte hingen in der Luft. Jeder spürte, wie schwer sie lasteten.
»Will hat uns damals auch geholfen«, sagte Nick und dachte dabei an das Unglück, das vor einem Jahr seine eigene Familie getroffen
hatte. Will hatte sich sofort angeboten, um ihnen beim Pflügen zu helfen, als er gehört hatte, was geschehen war. Nick warf Felicity, die jetzt Tassen bereitstellte und den Wasserkocher einschaltete, einen kurzen Blick zu. Sie war für seine Mutter und seinen Vater der einzige Lichtblick, der ihnen geblieben war, dessen war sich Nick bewusst. An seine introvertierte Art hatten sich seine Eltern schon vor langer Zeit gewöhnt. Bezog er Felicity vielleicht nur deshalb in sein Leben ein, weil sie das Leben seiner Eltern irgendwie erträglicher machte? Nick seufzte laut, woraufhin Felicity ihn irritiert ansah.
»Was wird jetzt, da Will tot ist, mit dieser wunderschönen Farm geschehen? «, fragte Alice. »Henry wird sie allein nicht halten können. Glaubst du, dass er an Kate übergibt?«
Nick wusste, dass seine Mutter lediglich versuchte, ein Gespräch zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn in Gang zu bringen. Trotzdem wünschte er sich, dass sie endlich damit aufhören würde, in Felicitys Gegenwart ständig von Kate zu sprechen. Er begann hastig seine Quiche zu essen, damit er möglichst schnell wieder an seine Arbeit gehen konnte. Er spürte, dass Felicity sich völlig verkrampft hatte. Ihre Bewegungen waren jetzt nicht mehr so flüssig. Außerdem war
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