Australien 01 - Wo der Wind singt
bespritzten Eimern verkrustete Farbroller und Pinsel. In einem Fleck Sonnenlicht, der auf die schiefen Bretter der Veranda fiel, schlief Sheila und zuckte im Traum mit den Pfoten.
In dem frisch gestrichenen, mit Schindeln verkleideten Haus stand Kate auf einem Stuhl und schob einen weiteren Vorhangring auf die Stange.
»Du konntest schon immer gut nähen«, sagte sie zu Janie. »Mama wollte es mir auch beibringen, aber du weißt ja, was passiert ist.«
»Ja«, sagte Janie. »Aber wenigstens hat sie dir die wichtigen Dinge zuerst beigebracht. Sie hat dich ermutigt, aus dem Haus zu gehen und dich mit den Tieren auf der Farm und dem Garten zu beschäftigen.« Janie kniete auf den frisch abgeschliffenen Bodendielen und schüttelte die üppigen Falten eines Vorhangs aus.
»Hat sie das?«
»Ja. Sie hat dir die wirklich wichtigen Dinge beigebracht. Im Gegensatz zu meiner Mutter. Sie hat mir nichts anders beigebracht, als sich selbst zu hassen, zu fressen, zu saufen und zu rauchen, bis man aussiehst wie Shrek höchstpersönlich.«
»Ich kann aber nicht viel von Shrek an dir entdecken. Du bist ein kluger Kopf, und in dir steckt eine wahre Hausgöttin. Du hast von allein alles richtig gemacht«, sagte Kate und sah sich dabei die ordentlichen Säume der Vorhänge an.
»Nun, dann bin ich wohl aus der Art geschlagen«, antwortete ihr Janie.
Kate sprang vom Stuhl hinunter und zog die cremefarbenen Vorhänge zu. Dann öffnete sie sie wieder und sah zu einem strahlend
blauen spätwinterlichen Himmel hinauf, an dem kleine, weiße Wattewölkchen dahinzogen. Jenseits des mittlerweile reparierten Zaunes befand sich das Haus von Dave und Janie.
»He, von hier aus kann ich ja fast in euer Schlafzimmer sehen«, sagte Kate.
»Tja, da wirst du nicht viel zu sehen bekommen. Drei Ehejahre und dazu die anstrengenden Zwillinge, da bleibt nicht viel Erotik übrig«, sagte Janie.
»Warte, bis das Geld für das Babysitten hereinkommt, Janie. Dann könnt ihr ein richtig tolles Wochenende verbringen, während ich in der Zwischenzeit auf die Kinder aufpasse.«
»He, alles was ich will, ist einmal richtig ausschlafen.«
In diesem Moment kamen Nell, Jasmine und Brendan kichernd und lachend aus dem Schlafzimmer gerannt.
»Was habt ihr denn jetzt schon wieder angestellt?«, fragte Kate.
»Mami!«, rief Nell aufgeregt. »Ich habe im Fenster ein Kätzchen geseht! Da draußen!«
»Gesehen, Nell. Du hast ein Kätzchen gesehen , draußen vor dem Fenster.«
»Das muss eine Wildkatze gewesen sein«, sagte Janie, »Ich habe dir doch schon erzählt, wie das mit den wilden Katzen ist, nicht wahr?« Nell nickte feierlich. »Diese Katze wird immer wild bleiben. Dave muss sie erschießen, weil sie sonst alle Vögel frisst. Erinnerst du dich?«
Kate kniete sich vor Nell hin. »Wenn wir erst einmal eingezogen sind, kaufen wir dir eine dicke, flauschige Katze, die den ganzen Tag nur auf dem Sofa sitzt und niemals irgendwelche Vögel jagt. Okay? Ein kleines Kätzchen, das nur dir gehört.«
Nell nickte strahlend. »Ja! Ein Kätzchen! Jetzt?«
»Nein, nicht jetzt. Aber später. Versprochen.« Kate spürte, wie Nell ihre kleine Hand in die ihre schob. Sie war warm und weich. Kate drückte sie sanft.
»Kommt schon, ihr Rasselbande«, sagte Janie. »Wer von euch will etwas zu trinken?«
»Ich! Ich!«, rief Nell. Jasmine und Brendan machten es ihr nach
und fuchtelten dabei aufgeregt mit den Armen in der Luft herum. Sie tapsten hinter Nell her in die Küche wie Entenküken, die ihrer Mutter folgen. Janie nahm drei Plastikbecher aus dem frisch gestrichenen weißen Schrank.
»Saft?«, bettelte Jasmine.
»Nein, Schätzchen. Keinen Saft. Nur Wasser.«
Hinter ihnen an der Eingangstür war plötzlich ein Ächzen und dann ein lautes Krachen zu hören. Dann begann Sheila, die der Lärm offensichtlich aus dem Schlaf gerissen hatte, aufgeregt zu bellen. Als sie sich umdrehten, sahen sie, dass Dave sich auf der Veranda mit einem großen Schreibtisch aus Holz abmühte. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und seinen Hut in den Nacken geschoben, so dass seine hohe, glatte Stirn zu sehen war.
»Hier kommt der Schreibtisch für Frau Landwirtschaftsberaterin … also, für die Plackerei erwarte ich mindestens ein Jahr lang kostenlose Beratung.«
»Wo hast du den denn aufgetrieben?«, fragte Kate und kam auf die Veranda, um den riesigen Schreibtisch zu bestaunen.
»Beziehungen, Kate. Beziehungen.«
Kate und Dave packten gemeinsam an und schoben den Schreibtisch auf
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