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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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abgetreten hatte.
    »Um den Teufelsbrocken mit etwas anderem aufzubessern« – er machte dabei eine kleine Verbeugung zu Silk hin – »habe ich kurzfristig beschlossen, neben Brugden zwei weitere Sträflinge zu Wildhütern zu ernennen. Brugden ist zuversichtlich, dass sie uns regelmäßig mit großen Mengen frischen Fleisches versorgen werden können.«
    Rooke sah Brugden vor sich, dort draußen in den Wäldern, mit diesem breiten Brustkorb, die Flinte lässig über der Schulter, als wäre sie Teil seines Körpers. Er würde mit Sicherheit ein effizienter Schlächter sein. Rooke stellte sich den Wald wie eine Wasserfläche vor, auf der sich die Wellen von Brugdens Zerstörung immer weiter ausdehnten und immer breiter wurden. Wenn sie dabei sogar zu dritt waren, würde es in der Gegend bald keine Wildtiere mehr geben.
    »Was die Eingeborenen betrifft«, fuhr der Gouverneur fort, »ist es sehr bedauerlich, dass sie nicht gewillt zu sein scheinen, Kontakt mit uns aufzunehmen. Ich bin überzeugt, dass sie, wenn sie es tun würden, zu der Feststellung gelangten, wir brächten ihnen nichts als Wohlwollen entgegen. Leider hat sich bislang keine Gelegenheit ergeben, diesen guten Willen zu demonstrieren. Ich bin jedoch überzeugt« – Rooke bemerkte, dass der Gouverneur kurz stockte, als wäre ihm die Wortwiederholung selbst aufgefallen – »dass diese Situation in Kürze verbessert werden kann.«
    Rooke hatte Mitgefühl mit dem Mann, der sich so krampfhaft optimistisch geben musste. Mit jedem gefällten Baum, mit jedem umgegrabenen und bepflanzten Yard Erde wurde eines für ihn immer dringlicher: Den Eingeborenen klarzumachen, dass ihr Territorium von neuen Herren in Besitz genommen worden war. Rooke verstand, dass es gefährlich war, wenn nicht eindeutig geklärt wurde, was die Anwesenheit von tausend Untertanen Seiner Majestät an diesem Ort bedeutete. Eine solche Klärung war ohne eine Sprache, in der sie vonstatten gehen, und ohne Personen, denen die Nachricht übermittelt werden konnte, nicht möglich. Allerdings war zu befürchten, dass das Schweigen unendlich lange fortbestehen würde.
    Der Gouverneur würde einen Kampf zwar nicht begrüßen, würde aber verstehen, wenn es dazu käme, dachte Rooke. Krieg war eine Art Konversation. Dieses Schweigen hingegen war weder Krieg noch Frieden. Es war eine Null, von der diese kleine gebrechliche Person, die sich so angestrengt bemühte, vor ihren Offizieren aufrecht zu stehen, gelähmt wurde.
    ✳
    Die Freude an der Genauigkeit war, soweit Rooke wusste, noch nie von einem Dichter besungen worden, doch Rooke verspürte jedes Mal, wenn er die nachmittäglichen Messwerte der Instrumente in die vorgesehenen Spalten seines Aufzeichnungsbuchs eintrug, eine kleine freudige Erregung. 14. September 1788, 4 Uhr, Wind: Nordost, 8 Knoten . Sollte er jemals versuchen, ein Gedicht zu schreiben, würde das Thema die Genauigkeit sein.
    Wie aber sollte er Reime auf die Wörter finden, die er dazu verwenden müsste? Vielleicht war das ja der Grund dafür, dass es keine Oden auf Thermometer oder Niederschlagsmesser gab.
    Weil er gerade überlegte, ob Silk womöglich Reime dazu einfallen würden, war er im ersten Moment ganz verwirrt, als er erkannte, dass der Mann, der da gerade die Felsen zu seiner Hütte hinunterstieg, nicht Silk war, sondern Gardiner.
    Rooke erhob sich, um ihn zu begrüßen. Gardiner würde erst recht nichts einfallen, was sich auf Thermometer reimte, doch die Idee würde ihn zumindest amüsieren.
    Normalerweise begrüßte Gardiner ihn herzlich, aber dieses Mal schien er irgendwie abwesend zu sein. Er setzte sich an den Tisch und leerte den mit Wasser verdünnten Brandy in einem Zug.
    Gardiner konnte manchmal ein bisschen seltsam sein. Doch als einer, der selbst ein bisschen seltsam war, wusste Rooke, dass er Geduld haben musste.
    Als Gardiner schließlich zu sprechen begann, versagte ihm die Stimme. Er räusperte sich und fing noch einmal von vorne an.
    »Das ist nicht gut gelaufen, Rooke«, sagte er. »Es war von vornherein eine furchtbar schlechte Idee.«
    »Wovon sprichst du eigentlich, alter Knabe?«, fragte Rooke, damit Gardiner etwas schneller auf den Punkt kam. »Ich kriege hier draußen in meinem Horst nichts mit. Du musst es mir schon erzählen.«
    Gardiner machte einen tiefen Atemzug, der wie ein Stöhnen klang.
    »Du weißt ja, dass der Gouverneur unbedingt mit den Eingeborenen sprechen will, die sich aber beharrlich von uns fernhalten. Um dem abzuhelfen, hat

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