Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
Vom Netzwerk:
er sich etwas einfallen lassen. Ist auf die schlaue Idee gekommen, einen oder zwei Männer einzufangen. Um ihnen Englisch beizubringen und zugleich ihre Sprache zu lernen. Und um sie gut zu behandeln, damit sie es den anderen erzählen. Und der, den er sich für diese Drecksarbeit ausgesucht hatte, war ich.«
    Danach blieb er so lange stumm, dass Rooke schon dachte, das wäre alles, was er ihm hatte erzählen wollen.
    »Er hat uns genau vorgeschrieben, wie wir vorgehen sollten«, fuhr Gardiner unvermittelt fort. »Wir sollten mit dem Boot zu der kleinen Bucht hinter North Head fahren. Dort hatte jemand mal eine Gruppe von Eingeborenen gesehen. Wir sollten ein paar Fische mitnehmen und einige der Männer damit weglocken. Du weißt ja, dass sie Fisch über alles mögen.«
    Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Wir haben das Boot also rückwärts in das seichte Wasser gesteuert und die Fische in die Höhe gehalten. Tja, anfangs waren sie so schlau, vorsichtig zu sein. Aber wir haben ihnen zugerufen, sie gelockt und mit den verdammten Fischen gewedelt … Und dann haben wir uns zwei arme Teufel geschnappt, glitschig wie Aale waren sie und gewehrt haben sie sich wie verrückt. Aber ich hatte acht gute Männer dabei, und schließlich hatten wir sie mit unseren Seilen gefesselt.«
    Rooke sah es im Geiste vor sich: Das schaukelnde Boot, in dem die Eingeborenen bäuchlings, vom Gewicht der fluchenden Matrosen festgenagelt, auf dem Bootsboden lagen, in dem das Wasser herumschwappte. Er wollte hören, wie es weiterging, wie die Eingeborenen die Matrosen abschüttelten, aus dem Boot sprangen, ans Ufer schwammen und im Wald verschwanden.
    »Ich kann nicht glauben, dass der Gouverneur …«, begann er, doch Gardiner hörte gar nicht zu.
    »Sie haben geweint!«, rief Gardiner aus. »Mein Gott, Rooke, wenn du dieses Weinen gehört hättest, dir wäre das Herz gebrochen. Die anderen, die zurückblieben, als wir wegfuhren, haben geschrien. Und die armen Teufel im Boot haben geweint. Mein Gott. Sie mögen Wilde sein, wir nennen sie jedenfalls Wilde, aber sie haben die gleichen Gefühle wie wir.«
    Er sprang auf, als hätte der Stuhl plötzlich Stacheln ausgefahren, und ging zum Fenster hinüber. Rooke konnte nur Gardiners breite Schultern und seinen Hinterkopf sehen. In der Hütte war es vollkommen still. Selbst das Wasser am Fuß der Felsen hielt den Atem an.
    Rooke erhob sich halb von seinem Stuhl. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte, wusste nur, dass er Gardiner nicht allein dort stehen lassen konnte. Als er gerade auf ihn zugehen wollte, tat Gardiner einen langen, bebenden Atemzug, der in einem Räuspern endete, zog sein Taschentuch heraus und schnäuzte sich. Dann kam er wieder an den Tisch zurück und goss sich mit zittrigen Händen noch einen Brandy ein.
    »Nun denn, sie sind jetzt in der Hütte hinter dem Haus des Gouverneurs. Er hat ihnen Fußfesseln anlegen lassen. Ich bin nur froh, dass ich das nicht mit ansehen musste.«
    »Du hast deine Pflicht getan, weiter nichts.«
    Wie jämmerlich das klang. Wie konnte er einem vor Schmerz aufgelösten Mann gegenüber von Pflicht reden?
    »Du hast es auf die schonendste Weise getan … in der eine solche Aufgabe getan werden konnte … die nun mal getan werden musste.«
    »Schonend!«, rief Gardiner empört. »Der Gouverneur wird es natürlich in diesem Licht schildern, da kannst du sicher sein. In London werden sie ihm alle beipflichten. Sehr schonend! Was für ein großartiger Kerl, man sollte ihm am besten noch fünfzig Pfund im Jahr extra geben.«
    Rooke glaubte Gardiner ganz gut zu kennen, hätte aber niemals gedacht, dass er zu solch bitteren Gefühlsausbrüchen fähig war. Genauso überraschte ihn, dass er in sich selbst nun ebenfalls Groll aufsteigen spürte. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie unsympathisch der Gouverneur, dieser griesgrämige, zugeknöpfte Mensch, ihm im Laufe der Zeit geworden war.
    » In die Niederlassung gebracht, so nennt er das. Die Eingeborenen sind in die Niederlassung gebracht worden. Kein Wort davon, dass sie entführt worden sind. Mit Gewalt. Gegen ihren Willen. Sie haben geweint, Rooke. Ich habe ihnen zwar klarzumachen versucht, dass wir ihnen nichts zuleide tun wollen, aber sie haben gejammert und geklagt, als würde ihnen das Herz brechen! Wer wird jemals zugeben, wie es wirklich gewesen ist? Die Wahrheit erzählen?«
    »Mit Sicherheit nicht ein paar Leutnants, die sich ins rechte Licht zu rücken verstehen!« Rookes Einwurf war

Weitere Kostenlose Bücher