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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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dem Aufzeichnungsbuch zur Siedlung hinunterzugehen, hörte er draußen jemanden rufen: Hauptmann Silk, der zwischen den Felsen hindurch zu seiner Hütte hinuntergestiegen kam.
    »Rooke«, rief er. »Besuch auf deiner verwunschenen Insel!«
    Die letzten paar Meter hüpfte Silk athletisch hinunter, verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe gestürzt, konnte sich mit ein paar Trippelschritten aber wieder fangen und war da.
    »Mein Gott, du hast dich ja wirklich in den hintersten Winkel zurückgezogen«, rief er aus und versuchte, sein Keuchen zu unterdrücken. »Um dich zu besuchen, muss man ja geradezu eine Ziege sein!«
    Weil er es für selbstverständlich hielt, willkommen zu sein, trat er ein, ohne auf eine Aufforderung zu warten.
    »Nun, mein Freund, willst du mir nicht etwas Freudebringendes anbieten, mit dem ich mir die Kehle anfeuchten kann?«
    Als er dann mit einem Becher verdünntem Brandy am Tisch saß, lehnte er sich auf seinem Stuhl so weit zurück, dass dieser besorgniserregend knarzte.
    »Und, was gibt es Neues?«, fragte Rooke.
    »Ach, im Haus des Gouverneurs sind wir zutiefst betrübt. Der Gouverneur und ich, meine ich. Es ist wirklich ein schwerer Schlag. Hast du’s schon gehört? Die Eingeborenen sind weg. Letzte Nacht haben sie sich aus ihren Fesseln befreit und sich aus dem Staub gemacht.«
    »Weg?«
    »Traurigerweise ja. Warungin hat sich einfach nicht an unsere Gesellschaft gewöhnen können. Boinbar schien ganz zufrieden – du erinnerst dich, der Größere von beiden, der fröhliche Bursche. Der Gouverneur ist furchtbar enttäuscht. Wir haben mit der Sprache sehr gute Fortschritte gemacht.«
    »So?«
    Silk ließ eine Kunstpause eintreten, an der Rooke erkannte, dass er ein Bonmot vorbereitete.
    »Unser Freund Boinbar ist ein richtiges kleines Schlitzohr und war sehr bestrebt, mir die Worte für so wichtige Dinge wie pinkeln und kacken und na du weißt schon beizubringen. Die Vermehrung der menschlichen Spezies – so habe ich diesen Begriff für den Gouverneur umschrieben.«
    Rooke lachte und stellte sich den Gouverneur vor, wie er mit steifer Miene diese Formulierung aufnahm.
    »Über solche äußerst nützlichen Begriffe hinaus haben wir eine umfangreiche Wörterliste zusammengestellt. Wir wissen beispielsweise, dass der Nordwind boor-roo-way heißt.«
    Er sprach die einzelnen Silben deutlich voneinander getrennt aus.
    »Warte, oder hieß der Nordwind bow-wan ?«
    Silk zog sein Notizbuch aus der Tasche und blätterte darin.
    »Um die Wahrheit zu sagen, sind wir uns noch nicht so ganz sicher. Aber der Ostwind heißt goniee-mah . Die Sonne heißt co-ing , eine Maus bo-gul und gut heißt gud-yer-i . Und wir vermuten, dass die Nachsilbe –gal Stamm bedeutet. Oder vielleicht Ort.«
    »Stamm, aha. Oder vielleicht Ort.«
    Falls Silk in Rookes Stimme einen ironischen Unterton bemerkte, ignorierte er es jedenfalls.
    »Durch den Gebrauch der Nachsilbe scheint Boinbar etwas von etwas anderem zu unterscheiden. Sich selbst bezeichnete er als Cadi-gal und dann deutete er übers Wasser und sagte so etwas wie Cammera-gal .«
    »Aha.«
    »Wirklich, Rooke, der Gouverneur und ich haben große Fortschritte gemacht, wenn wir auch nicht behaupten können, die Sprache schon fließend zu sprechen. Seine Exzellenz ist jedoch zuversichtlich, dass es weitere Gelegenheiten geben wird. Wir haben sie wie Könige behandelt, Rooke, und sie natürlich nicht merken lassen, wie knapp unsere Lebensmittelvorräte sind. Die beiden haben an einem einzigen Tag verputzt, womit wir eine ganze Woche auskommen würden. Warungin hat nichts anderes als Fisch angerührt, aber Boinbar hat alles probiert und sich zu einer Art Weinliebhaber entwickelt. Wir haben ihm sogar beigebracht, auf den König zu trinken, ein höchst amüsanter Anblick. Wir sind sehr zuversichtlich, dass er schon sehr bald wieder auftauchen wird.«
    Silk richtete sich auf und fing an, sich die Begriffe von seiner Liste einzuprägen, deckte dazu die Spalte mit den englischen Wörtern mit einer Hand ab und blickte zur Unterseite von Rookes Dachschindeln hinauf.
    » Co-ing , die Sonne. Bo-gul , Maus«, murmelte er vor sich hin wie ein Schuljunge, der gewissenhaft seine Vokabeln lernt. Bud-yer-i , gut. Budyeri , gut.«
    Nach einer Weile klappte er sein Notizbuch zu und streckte betont lässig ein Bein vor. Rooke wusste, dass gleich etwas kommen würde.
    »Der vertraute Umgang mit den Eingeborenen ist für meine kleine Erzählung wirklich von unschätzbarem Wert, Rooke.

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