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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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jedoch nicht. Stattdessen wandte er sich an Gardiner. Keiner von beiden hatte je wieder den Tag erwähnt, an dem Gardiner die Worte ausgesprochen hatte, die ihn vernichten könnten. Seither bestand zwischen ihnen beiden jedoch ein spezielles Vertrauensverhältnis.
    »Du meine Güte«, rief Gardiner aus. »Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass du diesen Kometen findest, Rooke. Andernfalls lässt dich der Gouverneur den Laden hier dicht machen.«
    Beim nächsten Mal brachte er die alte Ausgabe von Thomas Barkers Abhandlung Über die Beobachtung von Kometen von Bord der Sirius mit, und die beiden setzten sich einvernehmlich an den kleinen Tisch in der Hütte und berechneten noch einmal gemeinsam die wahrscheinliche Laufbahn des Kometen. Hatte Dr. Vickery einen Fehler gemacht? Weder Rooke noch Gardiner sprachen diesen Gedanken laut aus, doch jeder wusste vom anderen, dass er an der Überprüfung der Berechnungen des königlichen Astronomen insgeheim ein diebisches Vergnügen hatte.
    Trotz allem tauchte der Komet nicht auf – weder auf der von Vickery vorhergesagten noch auf der von Gardiner und Rooke errechneten geringfügig abweichenden Bahn. Vom Zeitpunkt des Aufgehens der Sterne bei Anbruch der Dunkelheit bis zu ihrem Verschwinden im Morgengrauen spähte Rooke durch das Teleskop. Tagsüber wälzte er sich ruhelos auf seinem Feldbett hin und her, schlief unruhig, obwohl er todmüde war, und wachte am Abend abgeschlagen auf. Nachdem auch der Januar mit ergebnislosem Suchen verstrichen war, blickte ihm aus seinem Rasierspiegel ein abgehärmtes Gesicht entgegen.
    Eines Nachmittags kam Gardiner von der Siedlung herauf, als Rooke das Teleskop gerade für die Nachtbeobachtungen herrichtete.
    »Lass es bleiben, Mann. Sieh dich doch mal an, ich hab dich noch nie so vergrämt gesehen. Leg mal eine Pause ein und komm mit mir raus aufs Boot. Perfekte Strömung für Weißlinge, das Boot liegt gleich dort unten.«
    Er zog Rooke freundschaftlich, aber resolut am Arm, und Rooke ließ sich mitziehen.
    Die Sonne stand schon tief, und die hereinkommende Flut ließ das Wasser im Hafen anschwellen, als Rooke im Heck des kleinen Ruderboots Platz nahm, das Gardiner mit leichten Ruderschlägen steuerte. Im Windschatten der nächstgelegenen Insel warf er den Anker aus. Schweigend saßen die beiden Männer im Heck des Bootes, während ihre Angelschnüre im Wasser hingen.
    Die Dunkelheit brach herein, die Konturen des Landes zeichneten sich als Silhouette gegen den Himmel ab – reines Licht ohne Farbe –, das Wasser umspielte geheimnisvoll das Boot. Gardiner hatte recht, dachte Rooke, ich habe zu lange in eine dunkle Röhre geschaut.
    Plötzlich zog Gardiner an seiner Schnur, und in hohem Bogen flog ein Fisch durch die Luft und landete im Boot.
    »Noch drei davon, und wir können auf das verdammte Pökelfleisch verzichten. Oder das undefinierbare Zeug, das Brudgen immer anbringt. Hier, Burschen, kostet das mal.«
    Er beköderte den Angelhaken mit einer schleimigen gelben Muschel und warf die Schnur wieder aus.
    »Du könntest Dr. Vickery schreiben«, fuhr er übergangslos fort. »Irgendein Wischiwaschi, dir wird schon was einfallen. Und was den Gouverneur betrifft, nun ja, irgendetwas wird sich schon finden. Aber bis dahin würde ich ihm auf jeden Fall aus dem Weg gehen.«
    Gardiner fing vier Weißlinge, Rooke zwei. Als er dann wieder zum Observatorium hinaufstieg, hatte sich seine Unruhe etwas gelegt. Er briet seine Fische und aß sie mit den Fingern, zu hungrig und zu müde, sich um die Etikette zu scheren. Anschließend setzte er sich an den kleinen Tisch und schob die Kerze dicht neben das Schreibpapier.
    Ehrwürdiger Herr , schrieb Rooke, ich habe jede Nacht und bei jeder günstigen Gelegenheit nach dem Kometen Ausschau gehalten, ihn bislang aber leider noch nicht zu Gesicht bekommen; der Himmel war in den vergangenen Wochen allerdings auch ständig bedeckt, insbesondere nachts, so dass ich mich frage, ob der Komet nicht womöglich längst vorübergezogen ist, ohne dass ich ihn gesehen habe; ist der Himmel hier wiederum klar, hält das normalerweise ebenso lang an, mit einigen wolkigen Abschnitten, aber nicht übermäßig, oder viele Tage hintereinander .
    Ihm war bewusst, dass der Satz weitschweifig und irgendwie verworren war, trotzdem faltete er den Brief zusammen. Der Himmel allein wusste, wann die Schiffe eintreffen würden, die das Schreiben nach England befördern würden. Rooke hoffte, dass er bis dahin bessere Nachrichten

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