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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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vorzustellen, wie eine Wolke von oben aussah. Ob sie wohl gerundet war, wie es den Anschein hatte, oder schien das nur von unten gesehen so zu sein? Nach einer Weile war es kein Ablenkungsmanöver mehr: Rooke dachte tatsächlich nicht mehr an die Männer.
    Auf einmal merkte er, dass die beiden Eingeborenen den Hang heruntergekommen waren und nur noch ein kleines Stück von ihm entfernt standen. Sie blickten noch immer nicht zu ihm hin, schritten aber auch nicht an ihm vorüber. Ohne den Kopf zu bewegen, erkannte Rooke aus den Augenwinkeln, dass einer von beiden Warungin war.
    Als sich ihre Blicke schließlich trafen, schien das wie eine Art Signal zu sein. Warungin trat vor und ließ sich in Rookes Nähe nieder. Neben ihm, konnte man fast sagen.
    Nach einer Weile streckte Warungin eine Hand aus und sagte etwas. Sagte es noch einmal. Blickte Rooke an, als warte er darauf, dass dieser das Wort nachsprach. Es schien mit einem b zu beginnen, klang aber irgendwie zähflüssig. Rooke versuchte, die ineinander verschwommenen Silben zu wiederholen, verhaspelte sich jedoch dabei.
    Warungin sagte das Wort noch einmal. Das war kein beiläufiges Geplauder. Es war regelrecht Arbeit, der Versuch, einem anderen Mann ein Wort beizubringen, das dieser nicht zu hören vermochte. Rooke probierte es erneut, sang dabei die Laute mehr nach wie eine kleine Melodie, als dass er sie sprach.
    »Boourral« , hörte er sich sagen, ein undeutliches Gebrabbel wie von einem Kleinkind. Warungin sagte das Wort noch einmal, und Rooke versuchte es wieder.
    »Bere-wal.«
    Warungin nickte knapp, als dächte er: Besser kriegt er’s sowieso nicht hin .
    Dann hielt er sich pantomimisch ein Fernrohr vors Auge und tat so, als würde er hindurchblicken. Er muss solch ein Gerät schon einmal in der Hand gehalten haben, dachte Rooke. Vermutlich während seiner Gefangenschaft, als ihn der Gouverneur mit Stühlen, Tellern und Weingläsern vertraut gemacht hatte. In der einen Hand hielt Warungin nun also das imaginäre Fernrohr, mit der anderen machte er Bewegungen, als bewege er den Tubus zur Scharfeinstellung hin und her, das eine Auge kniff er zusammen, das andere blickte unverwandt durch das imaginäre Rohr. Dann deutete er zunächst auf das imaginäre Fernrohr, machte danach mit der Hand eine Bewegung, als nähere sich ein Objekt aus der Ferne, und sagte dazu wieder das Wort.
    Rooke tat jetzt ebenfalls, als hielte er sich ein Fernrohr ans Auge und bewege den Tubus hin und her.
    »Berewal.«
    Warungin machte mit gebogenen Fingern ungeduldig eine schaufelnde Bewegung, so, als hole er die Ferne näher heran.
    Nicht das Objekt war gemeint, sondern das, was dieses Objekt machte! Berewal bedeutete nicht Fernrohr , sondern so etwas wie in großer Entfernung .
    »Berewal« , wiederholte Rooke und ahmte Warungins Schaufelbewegung nach, voller Eifer, ihm zu beweisen, dass er doch nicht ganz so dumm war.
    Warungin interessierte es allerdings nicht, was für ein begabter Schüler Rooke war, er lächelte ihn weder an, noch nickte er ihm lobend zu. Er deutete jetzt über den Hafen zum Nordufer hinüber, wo die Bäume im goldenen Morgenlicht erstrahlten.
    »Cammera-gal« , sagte er ganz langsam und gedehnt, damit Rooke die einzelnen Wortteile hören konnte. Dann legte er eine Hand auf seine Brust, dorthin, wo die Narbenreihe war, und sagte: »Cadi-gal.« Und noch einmal: »Cadi-gal.«
    Die Nachsilbe »gal« kannte Rooke bereits von Silks Wörterliste. Gal: Stamm oder vielleicht auch Ort . Warungin schien ihm folglich zu sagen: Ich gehöre zum Stamm oder Ort namens Cadi .
    Warungin beugte sich vor und legte eine Hand auf Rookes Brust, vorne auf die rote Jacke.
    »Berewal-gal« , sagte er.
    Er ließ seine Hand dort liegen, als könne aus ihr Erkenntniskraft durch die rote Wolle ins Herz dieses Mannes sickern. Rooke spürte den leichten Druck der Hand auf seinem Körper. Die erste Berührung zwischen zwei so unterschiedlichen Wesen. Er erwartete fast, dass eine Art Funken entstand, so ähnlich wie ein vom Himmel zur Erde herabzuckender Blitz.
    Und während Warungins Hand auf seiner roten Wollbrust lag, ging Rooke tatsächlich ein Licht auf. Berewal – aus weiter Ferne. Gal – Stamm. Warungin brachte ihm den Namen von Rookes eigenem Volk bei: Berewal-gal , der Aus-weiter-Ferne-Stamm.
    Es freute ihn, einen Namen bekommen zu haben. Es war ein Geschenk. Aber zugleich auch schockierend. Keine der geheimnisvollen Besitztümer oder beeindruckenden Fertigkeiten der weißen Männer

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