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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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– ihre Schiffe, ihre Musketen, die einen Schild in zwei Teile spalten konnten, ihre Fernrohre, ihre Goldtressen – verliehen ihnen ein spezielles Ansehen. Sie waren lediglich ein weiterer Stamm. Berewalgal , die Leute aus weiter Ferne.
    Rooke hätte am liebsten gleich noch mehr gelernt. Was hieß Guten Morgen, Guten Tag, bitte, danke, auf Wiedersehen? Was sagte man für Würdest du mir deine Sprache beibringen?
    Doch sobald Warungin gemerkt hatte, dass er von Rooke verstanden worden war, erhob er sich, drehte Rooke den Rücken zu und blickte in Richtung Hügelkamm. Ohne dass er ein Zeichen gemacht oder einen Ton von sich gegeben hatte, tauchte dort auf einmal eine Gruppe von Eingeborenen auf, die hintereinander die Felsen hinunterstiegen: zwei weitere Männer, drei Frauen, drei Kinder.
    Unten angekommen, blieben sie vor Rookes Hütte stehen, ohne ihn zu beachten. Er hatte das Gefühl, als wäre er für sie genauso wenig bemerkenswert wie alles andere ringsum: Hütte, Fels, Bäume, Mann mit vor dem Bauch gefalteten Händen wie ein Pfarrer beim Gebet. Vermutlich erwarten diese Menschen nicht viel von einem Mann, dem man sogar beibringen muss, wie sein eigener Stamm heißt, dachte Rooke.
    Jetzt blickten sie aufmerksam zu Warungin hin, während dieser ihnen etwas darlegte. Er deutete mit dem Kinn auf die Hütte, auf Rooke und zur Siedlung hinunter und ließ dann einen Schwall Wörter ablaufen wie ein Seil mit Knoten darin: ein Stück, kurze Pause, dann das nächste Stück. Rooke lauschte so angestrengt, dass er das Gefühl hatte, seine Ohren würden immer länger. Nicht nur die Wörter waren ihm unverständlich, auch die Satzmelodie unterschied sich von den Sprachen, die er bislang gehört hatte. Jeder Satz begann mit einem betonten Laut, dann fiel die Kurve immer weiter ab. Der Versuch, eine Struktur herauszuhören, war genauso vergeblich, wie wenn man versucht hätte, laufendes Wasser festzuhalten.
    Dann setzten oder kauerten sich sämtliche Männer mitsamt ihren Speeren zu dem Mann, der zusammen mit Warungin gekommen war. Rooke machte einen Schritt in ihre Richtung. Ob er sich zu ihnen gesellen sollte? Im gleichen Moment ging eine der Frauen – hager und faltig, mit schlaff herabhängenden Brüsten und spindeldürren Beinen – auf den Eingang seiner Hütte zu. Rooke bedeutete ihr mit übertriebenen Gesten, dass sie doch eintreten solle. Bitte sehr, herzlich willkommen, ich freue mich, Sie zu sehen! Er war froh, dass ihn sonst niemand dabei sah. Die Frau reagierte überhaupt nicht auf seine stummen Gebärden. Angesichts ihres würdevollen Gebarens wirkte seine Beflissenheit irgendwie falsch.
    Sie betrat die Hütte und blickte sich so gleichgültig um, als wäre all das, was darin zu sehen war, nicht sonderlich interessant. Als sie den anderen Frauen über die Schulter hinweg etwas zurief, ein paar kurze Silben, drängten sie alle hinein. Während sie seine häusliche Einrichtung inspizierten, murmelten sie einander Bemerkungen zu. Eine von ihnen hob einen Zipfel der grauen Decke auf seinem Feldbett hoch, berührte damit ihre Wange und sagte etwas zu den anderen – vermutlich ein Kommentar über das raue Material, dachte Rooke. Sie strichen mit ihren langen schlanken Fingern über die glänzende Tischplatte und betasteten die Messingscharniere zum Einklappen der Tischbeine. Eine Frau schlug seinen Montaigne auf und blätterte darin.
    Rooke fragte sich, ob das, was sie zu den anderen sagte, wohl so etwas Ähnliches bedeutete wie: Seht mal, der hat hier Baumrinde in einem kleinen Quadrat!
    Ob sie überhaupt eine Vorstellung von einem Quadrat hatten? Ob sich unter ihnen ein wilder Euklid befand, der sich über die Geheimnisse des Dreiecks Gedanken gemacht hatte?
    Erstaunlicherweise gelang es ihnen selbst in diesem engen Raum, seinem Blick beharrlich auszuweichen. Sie gingen um ihn herum und redeten wohl deshalb so leise miteinander, weil er da war, vermutete er. Zugleich war er für sie aber auch nicht da.
    Die Kinder, die sich hinter den Beinen der Frauen versteckten, lugten immer wieder kurz zu Rooke hervor, zogen sich aber sofort zurück, wenn er sie ansah. Jetzt traf sein Blick den eines kleinen Jungen, ein kräftiges Kerlchen von fünf oder sechs Jahren, das sofort wieder hinter dem Rücken seiner Mutter verschwand, gleich darauf aber erneut hervorlinste. Rooke lächelte ihm aufmunternd zu und versuchte sogar zu zwinkern, und allmählich wurde der Junge immer kecker, bis er schließlich blitzschnell auf Rooke

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