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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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haben, doch er beabsichtigte offenbar, alles, was sich auf seiner abgeschiedenen Landspitze zutrug, für sich zu behalten: die Besuche, die Notizbücher, das Gefühl, dass ihm ein Geschenk zuteil geworden war. Diese Geheimhaltung konnte allerdings Folgen haben. Er wusste nicht, was für welche das sein könnten, doch während er Silk nachblickte, als dieser den Pfad hinaufstieg, wusste er, dass dieses Paradies wie jedes andere Paradies endlich war.


    R ooke kannte inzwischen auch die Namen einiger der Frauen, die mit den Kindern auf seine Landspitze kamen. Zumindest glaubte er, dass die Wörter, die er benutzte, ihre Namen waren. Barringan war die stattliche, hochgewachsene Frau, die am ersten Tag in die Hütte gekommen war; ob sie Bonedas Mutter oder seine Tante war, hatte er noch nicht herausbekommen. Die alte Frau, zweifellos eine Autoritätsperson, hieß Mauberry; für Rooke jedoch war sie »die Oma«, weil sie ihn mit ihrer energischen Art und ihrer trockenhumorigen Miene an seine Großmutter erinnerte.
    Diese Frauen und ein paar andere, die nur ab und zu mitkamen, grüßten ihn bei ihrer Ankunft, ließen sich dann aber mit ihren Säuglingen ein Stück weit entfernt am Lagerfeuer nieder. Während sie dort saßen, fertigten sie aus gewölbten Muschelschalen Angelhaken und drehten aus Borkenfasern Angelschnüre. Sie hielten die faserige Schnur in die Höhe und nannten ihm dabei den Namen – dturaduralang –, hauptsächlich, argwöhnte Rooke, um sich darüber amüsieren zu können, wie er es nachzusprechen versuchte.
    Er dachte an seine Schwestern, die als Säuglinge stets wie Päckchen in Kleidungsstücke und Tücher eingewickelt gewesen waren, aus denen, wenn die Kleinen in ihrer Holzwiege lagen, nur das Gesicht und die Finger herausgeschaut hatten. Soweit er wusste, hatten sie niemals nackt auf den bloßen Oberschenkeln ihrer Mutter gelegen wie diese Kinder hier. Als er es zum ersten Mal gesehen hatte, war er schockiert gewesen, doch inzwischen fragte er sich, ob ein Schoß nicht genau dazu da war, eine lebende Wiege zu bilden, in der ein Säugling selbstvergessen schlummern konnte.
    Manchmal ging Warungin an der Spitze der kleinen Prozession, wenn sie die Felsen hinabgestiegen kam. Setzte er sich neben Rooke auf den Erdboden vor der Hütte, blieben die Kinder etwas auf Abstand. Manchmal konnte es eine halbe Stunde dauern, bis Warungin etwas sagte. Wenn Rooke ein paar seiner neu gelernten Wörter ausprobierte oder einen Gegenstand in die Höhe hielt und wissen wollte, wie er hieß, veränderte Warungin ein wenig seine Sitzhaltung, sagte aber nichts. Für ihn schien es nicht peinlich zu sein, wenn man schwieg.
    Rooke kam es vor, als blickte er in eine Art Spiegel. Bei seinen Landsleuten war er derjenige, der andere mit seinem ewigen Schweigen unruhig werden ließ. Zu lernen, nichts weiter zu tun, als einfach nur dazusitzen, war irgendwie befreiend.
    Gelegentlich brachte Warungin auch ein paar andere Männer mit. Stumm und unbeachtet wie ein Kind saß Rooke dann bei ihnen, während sie so schnell miteinander sprachen, dass er keinen einzigen Laut identifizieren konnte, der zu einem Wort gehörte, das er bereits kannte. Im Beisein anderer hatte Warungin nicht diese schroffe Art, sondern unterhielt die Männer mit langen Geschichten. Er war ein ausgezeichneter Imitator. Mehr als einmal erkannte Rooke Major Wyatt, so perfekt ahmte Warungin dessen Wutausbrüche nach, oder den armen Gosden mit seinem quälenden Husten.
    Er fragte sich, ob Warungin zur Belustigung der Männer wohl auch Mr. Rooke nachahmte, wie er sich beim Versuch, ein neues Wort auszusprechen, die Zunge verrenkte.
    Hin und wieder war Warungin auch von sich aus bereit, Rooke Sprachunterricht zu geben. Dann breitete er gleich bei seiner Ankunft alle seine Geräte und Waffen auf dem Boden aus: den Speer mit den Widerhaken an der Spitze, den Speer mit der glatten Spitze, den Fischspeer mit den vier scharfen Spitzen, das schwertartige Wurfholz, an dessen Ende mit Harz eine Austernschale befestigt war. Stück für Stück brachte er Rooke die Namen bei. Dooul , der Speer mit den zwei Widerhaken. Wudang , die aus Knochen gefertigte Speerspitze. Yelga , der Widerhaken eines Speers. Yara , das Schärfen der Spitzen eines Fischspeers, der muting hieß. Rooke, der stets einen Bleistift in der Hand hielt und sein Notizbuch neben sich liegen hatte, spürte, dass Warungin die Aufschreiberei missfiel. Dennoch wiederholte dieser die Worte geduldig ein ums andere

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