Australien 02 - Der Sternenleser
wanderte, der mit verschränkten Armen am anderen Ende des Raumes stand.
» Goredyu tagarin «, sagte sie, wobei sie so tat, als zitterte sie, und dabei Gesten zum Feuer und zu der Jacke hin machte. Offenbar wollte sie Rooke klarmachen, dass ihr schneller warm wurde, wenn sie nackt blieb.
Was, wie ihm nun aufging, auch stimmte. Und es bewies, dass sie mehr über die Logik von nasser Haut und wärmendem Feuer wusste als seine eigene Welt mit ihren unzähligen Kleidungsstücken. Es erklärte auch, weshalb sie sich der Beinahe-Umarmung entwunden hatte. Darüber hinaus versuchte sie ihm noch etwas anderes zu erklären, ging Rooke auf. Sie hatte seine Beklommenheit bemerkt und begriffen, was der Grund dafür war.
Trotzdem war es ihm immer noch peinlich. Zu allem Übel errötete er sogar. Er spürte, wie es ihn heiß durchströmte und ihm die Haut brannte. Er ging zum Tisch hinüber, legte mit geflissentlicher Geschäftigkeit sein Notizbuch und seine Feder zurecht und begann zu schreiben.
Goredyu tagarin, ich mehr (d. h. ich nehme mehr) von Kälte, d. h. die Kälte wegnehmen. Als Tagaran dies sagte, stand sie nackt vor dem Feuer, und ich wollte, dass sie etwas anzog, worauf sie sagte, Goredyu tagarin, was genau bedeutet, ich will länger nackt bleiben, damit mir schneller warm wird, weil man unbekleidet das Feuer besser spürt, als wenn es Kleider durchdringen muss .
Das war zwar ziemlich umständlich formuliert, doch nachdem er all dies geschrieben hatte, war er nicht mehr rot im Gesicht, und Tagaran zitterte nicht mehr.
Sie begleitete ihn zu der kleinen Mulde, die er unterhalb einer Stelle gegraben hatte, an der Wasser aus dem Fels sickerte. Während Rooke den Kessel mit Wasser füllte, kam Boneda angerannt, um zu sehen, was er da machte. Rooke ließ ihn Wasser schöpfen, bis der Kessel voll war. Als er dann in der Hütte den Kessel aufs Feuer stellte, sahen die Kinder sofort, dass er mehr Reisig brauchte – sie wussten genau dasselbe, was ihm schon seine Großmutter gesagt hatte: kleine Zweige brennen am besten –, und im Nu hatten sie das Feuer zum Lodern gebracht und das Wasser erhitzt.
Rooke trug den Wasserkessel hinaus und stellte ihn auf den Baumstumpf, auf dem seine Emailschüssel und der Regenmesser standen. In dem gespaltenen oberen Ende eines Stocks, den Rooke senkrecht in den Baumstumpf getrieben hatte, klemmte sein Spiegel, und Rooke begann nun sein Rasierritual, das die Kinder stets fasziniert verfolgten: das Abziehen der Klinge am Streichriemen, das Anrühren von Seifenschaum mit dem Rasierpinsel und wie er wegen des schiefen Spiegels den Kopf schräg halten musste, wenn er mit der Klinge durch den weißen Schaum strich. Worogan deutete auf Rookes Nase, die frei von Seifenschaum war.
» Minyin bial kanga? «, fragte sie, warum wäschst du diesen Teil nicht?
Worogan, die ihre anfängliche Scheu verloren hatte, warf Tagaran einen verschmitzten Blick zu. Rooke merkte, dass die beiden sich gerade über etwas lustig machten, vielleicht das Rasieren oder seine Nase betreffend oder einfach nur, um einem Mann, noch dazu einem weißen Mann, gegenüber frech zu sein. Damit die Haut straff war, wenn er mit der Klinge darüberstrich, drückte Rooke die Zunge gegen die Wange und blickte dabei mit zusammengekniffenen Augen in den behelfsmäßigen Spiegel. Er wusste, dass er niemals erfahren würde, worüber sich die beiden amüsierten, lächelte aber trotzdem, hauptsächlich mit den Augen, damit ihm kein Schaum in den Mund lief.
Als er mit der Rasur fertig war, klappte er das Rasiermesser zusammen, wischte sich mit dem Handtuch das Gesicht ab und schüttete das Wasser weg. Tagaran hob den Kessel hoch, schüttelte ihn, um ihm anzuzeigen, dass noch ein Rest Wasser darin war, und bat ihn mittels Gesten um Erlaubnis, es in die Schüssel gießen zu dürfen. Dann tauchte sie ihre schmalen Hände hinein. In der weißen Emailleschüssel wirkte das Braun ihrer Haut noch dunkler. Rooke tauchte ebenfalls eine Hand ins Wasser und fand, dass sie, so rosa und voller Sommersprossen, neben ihrer geradezu unfertig aussah.
Er ergriff Tagarans Hände, wusch sie mit der Seife und befeuchtete anschließend, um ihre Toilette komplett zu machen, das Handtuch und wusch ihr das Gesicht. Sie sah ihm bei alldem aufmerksam zu. Mehr als ihr Gesicht zu waschen wagte er nicht: Das Gesicht war etwas Öffentliches, der Körper hingegen, so kindlich er auch sein mochte, Privatsache.
Er reichte Tagaran das Handtuch.
»Wasch dich, komm,
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