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Australien 03 - Tal der Sehnsucht

Australien 03 - Tal der Sehnsucht

Titel: Australien 03 - Tal der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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wohl, dass die Vorhänge in ihrem Zimmer seit Tagen nicht aufgezogen worden waren. Auch in ihrem Kopf schienen sich schwere, dunkle Vorhänge geschlossen zu haben wie ein dichter Nebel. Jedes Mal, wenn sich der Nebel ein wenig lichtete, holte die Wirklichkeit sie ein, und sie weinte in ihr Kissen, bis sie Kopfschmerzen bekam. Sie wünschte sich so sehr, dass Sam in seinem glänzenden roten Holden Pick-up vors Haus gefahren kam. Sie stellte sich vor, wie er sie anlachte, ihr erklärte, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Sie wartete auf ihn. Aber er kam nicht mehr. Er würde nie wiederkommen. Die Nachricht, dass auch Jillian gestorben war, war ebenfalls zu ihr durchgedrungen. Aber irgendwie hatte Rosemary diesen Gedanken immer wieder weggeschoben. Bis jetzt.
    Jetzt musste sie zu Sams Beerdigung. Sie konnte ihre Mutter unten hören.
    »Doch nicht diese Krawatte, Julian! Hast du den Kranz? Pass doch auf damit! Glaubst du, man kann sehen, dass die Blumen aus unserem Garten sind? Sollte ich das auf die Karte schreiben? Bestimmt würde es den Angehörigen etwas bedeuten, wenn sie wüssten, dass die Blumen aus meinem eigenen Garten sind. Gerald, hilf mir, die Schnalle zuzumachen, ja?«
    Die dröhnende, autoritäre Stimme ihrer Mutter erinnerte Rosemary an damals, als ihr Großvater gestorben war. Ihre Familie hatte der Trauer praktisch keinen Platz gelassen.
    »Er hatte ein gutes Innings«, war alles, was ihr Vater dazu gesagt hatte. Außerdem hatte man sowieso den Eindruck, dass ihr Großvater das Haus nie verlassen hatte. Seine Porträts und seine Besitztümer waren immer noch da, wo sie seit jeher gewesen waren. Die Gemälde von Rosemarys Ururgroßvater und seiner Frau hingen immer noch an der Bilderschiene, die durch den ganzen Flur verlief, ihre Spazierstöcke standen immer noch in dem eleganten Schirmständer, und ihr Porzellan wurde immer noch in hohen Stapeln in dem schweren Sideboard aufbewahrt. Bleich und ernst starrten die Gesichter ihrer Ururgroßeltern aus den dunklen Holzrahmen.
    »Man kann aus ihren Gesichtern ablesen, wie das Blut weitergegeben wurde«, hatte ihr Prudence einmal auf einem Rundgang durchs Haus erklärt. »Die edle schottische Abstammung ist unübersehbar. «
    »Zum Glück haben sich die eng zusammenstehenden Augen nicht vererbt«, hatte Rosemary dazu gemeint. »Oder das grässliche Hakennasen-Gen. Oder der Hang zu viel Speck in langweiligen Klamotten.« Nach dem letzten Kommentar hatte sie Prue beklommen angesehen. Prue stand in ihrem langweiligen Kleid im Flur und sah eindeutig fett aus.
    »Aber Rosemary!«, schnaufte Prue. »Du weißt die Vergangenheit nicht zu schätzen… Deine Vergangenheit. Das ist dein Erbe. Es ist ein Teil von dir.«
    »Ich will es nicht haben. Ich kriege eine Gänsehaut davon. Ein Haus voller miesepetriger Greise.«
    »Ach Gott. Ich wäre begeistert, wenn ich in einem so großen Haus wie diesem leben dürfte und einen schicken Bauernburschen zum Heiraten gefunden hätte.«
    Während Pruedence immer weiter schwadroniert hatte, hatte Rosemary die Gemälde neben den Familienporträts betrachtet. Es waren größtenteils Stillleben von toten Fasanen und von erschossenen, noch blutenden Hasen neben irgendwelchen Zinnbechern, wobei die Tötungswerkzeuge jeweils sorgfältig in Position gebracht und mit viel Liebe zum Detail abgemalt worden waren. Außerdem gab es Bilder von windgepeitschten schottischen Hochmooren mit wolligen Highland-Rindern, deren Hörner manisch in den sturmgepeitschten Himmel piekten. Auch wenn dies das Gebiet in Schottland war, aus dem die Familie ihres Vaters stammte, gab vor allem ihre Mutter historische Anekdoten aus dem Ahnenstamm der Highgrove-Joneses zum Besten. Rosemary hatte trotzdem nicht das Gefühl, dass all das irgendwas mit ihr zu tun hatte. Ihre Heimat waren die Eukalyptusbäume am Fluss und die rollenden Hügel von Highgrove. Es war ihr unbegreiflich, warum ihre Mutter so stolz auf diese düsteren Schinken und dieses Vermächtnis war.
    Ein leises Klopfen an der Zimmertür riss sie aus ihren Gedanken.
    »Rose, Schatz. Zeit zu gehen«, hörte sie die weiche Stimme ihrer Mutter. Sie trat ins Zimmer und ts-ts-te, als sie ihre Tochter so verknautscht auf dem Fenstersims sitzen sah. »Aber so kannst du unmöglich gehen!«
    Sie richtete Rosemary auf. Dann zupfte sie ihr Kostüm gerade, zerrte eine Bürste durch Rosemarys Haare und reichte ihr einen kleinen roten Lippenstift.
    »Trag den auf.« Rosemary gehorchte. »So. Viel besser.

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