Australien 03 - Tal der Sehnsucht
sodass unser junger Ted hier die Laternen nicht anzünden muss. Aber Sie, Sir, werden auf ihrem hübschen Ross lang vor uns ankommen.«
»Können Sie mir eine Unterkunft für mich und meine Pferde empfehlen?«
»Da gäbe es natürlich das Glenelg Inn, aber das kann ein ungemütliches Fleckchen sein — vor allem während der Renntage. Falls Sie Ihre Dienste anbieten wollen, können Ihre Tiere und Sie in meinem neuen Etablissement Unterkunft finden, den Livery and Letting Stables . Ich biete erstklassige Zimmer und aufmerksame Stallknechte. Es wäre mir eine Ehre, eine so exzellente Stute mit ihrem Fohlen zu beherbergen.«
»Und mir wäre es eine Ehre, meine Dienste als Stallknecht anzubieten«, antwortete Jack lächelnd. »Wenigstens bis ich Arbeit auf einer Station finde.«
»Nun denn, Mr Gleeson, damit wären wir handelseinig. Wir erwarten Sie dort heute Abend.«
Jack tippte erneut an seine Hutkrempe und ritt voraus, gefolgt von Faulpelz, der Bailey widerwillig nachtrottete. Die Stute hingegen wirkte wie erfrischt, so als wüsste sie, dass am Ende des Weges eine Box mit frischem Sägemehl in Mr Cawkers Stall und ein Futterbeutel voller Hafer auf sie wartete.
Kapitel 11
R osie und Margaret stoppten vor Mr Seymours halb verfallener Hütte an der Hauptstraße von Casterton. Rosie trug einen Teller mit Essen zur Haustür und folgte ihrer Mutter hinein. Drinnen umfing sie Dunkelheit, und ein dumpfer Geruch legte sich über ihre Haut. Im Wohnzimmer stank es stechend nach Katzenurin.
Die feuchten Wände waren bis zur niedrigen Decke mit einer freudlosen Tapete beklebt. Rosies Augen überflogen eine Kollektion von gerahmten Schwarz-Weiß-Fotos aus einem anderen Zeitalter. Größtenteils zeigten sie elegante, langbeinige Rennpferde, deren Jockeys neben der Rennbahn ihre Trophäen in die Luft hielten. In der Ecke saß, so unordentlich und schmuddlig wie das ganze Zimmer, ein alter Mann zusammengesunken in einem modrigen Lehnsessel. Aus dem Sessel spross an unzähligen Stellen das Rosshaar, so als würde dem Möbel, genau wie dem Mann darin, ein struppiger Backenbart wachsen.
»Mr Seymour? Das ist meine Tochter Rosemary«, brüllte Margaret den verschrumpelten Alten an. Die verkrümmte, knochige Kralle auf den Gehstock gestützt, beugte er sich vor und sah Rosie aus zusammengekniffenen Augen an.
»Hübsch«, war alles, was er sagte.
»Hier ist Ihr Lammbraten«, brüllte Margaret, wobei sie Rosie den Teller abnahm, die Folie abzog und das Essen auf ein Tablett stellte. Sie legte Messer und Gabel links und rechts neben den Teller und platzierte das Tablett dann auf Mr Seymours Schoß.
»Nettes Füllen«, sagte er mit Blick auf Rosie. »Willst du mal zum Rennen gehen?« Dann schlug er sich so fest auf den Schenkel, dass das Tablett um ein Haar von seinem Schoß kippte.
»Iss endlich auf, dummer alter Bock«, murmelte Margaret, während sie das Tablett wieder in die Waagerechte brachte und das Fleisch in kleine Bissen zu schneiden begann. Er plapperte immer weiter, den Blick fest auf Rosie geheftet.
»Gute Tage, die Renntage. Feine Füllen am Renntag … sehr gute Beine. Verflucht gute Beine.«
»Ein Exjockey und Viehtreiber«, flüsterte Margaret ihrer Tochter zu. »Sein Vater war auch schon Jockey. Eine schreckliche Familie. Ganz schrecklich. Der hier ist stocktaub und dumm wie Brot.«
Sie verdrehte die Augen und beugte sich vor, um den Alten anzubrüllen: »Bis nächste Woche, Mr Seymour. Morgen bringt Ihnen Mrs Chillcott-Clark das Essen. Sie kann auch das Katzenklo sauber machen. Außerdem ist morgen Waschtag, legen Sie also Ihre schmutzigen Sachen bereit.« Dann richtete sie sich zu voller Größe auf und sah angeekelt auf ihn herab.
»Du brauchst ihn nicht wie einen Idioten zu behandeln. Er ist bloß alt«, flüsterte Rosie. Margaret warf ihr einen verletzten Blick zu und klackerte durch den Flur aus dem Haus.
Vorsichtig näherte sich Rosie Mr Seymour.
»Mr Seymour? Äh … Verzeihung, aber Sie kennen sich offenbar mit Pferden aus. Woher weiß man, wann eine Stute ihr Fohlen bekommt?«
»Füllen. Ein feines Füllen«, lallte er, und prompt rann ein Klecks Soße an seinem Kinn herab. Rosie legte die Hand auf den Arm des alten Mannes und wiederholte ihre Frage. Er drehte den Kopf und sah sie an. Sein Blick war so direkt, dass sie zurückzuckte.
»Deine Stute ist trächtig?«
»Ja, sie ist trächtig.«
»Ah ja!«, sagte er, als wäre erst jetzt der Groschen gefallen. »Erst hört sie auf zu fressen. Dann
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