Australien 03 - Tal der Sehnsucht
bleiben. Er kam an einer Schmiede, einem Postamt, mehreren Hütten und Korbflechtereien vorbei. Am oberen Ende der Stadt wendete Jack vor dem Haus des Doktors, nachdem er die unangezündete rote Laterne am Fenster bemerkt hatte. Anschließend ritt er die Straße wieder zurück und stieg, froh endlich aus dem Sattel zu kommen, vor dem Mietstall ab. Er führte Bailey in den schummrigen Eingang des geschäftigen Stalles voller Knechte und Pferde. Die gespannt auf das Rennen wartende Stadt brummte wie ein Hornissennest. Jack hatte das Gefühl, dass in dieser Stadt sein Leben als Viehtreiber erst richtig beginnen würde.
Am nächsten Morgen trank Jack im Schatten der Uferbäume bei der Rennbahn von Casterton eine Tasse Tee. Die Ladys standen in ihren besten weißen Kleidern, hochgeschlossenen Spitzenkragen und mit Seidenbändern und Schleifen geschmückten Strohhüten unter einer riesigen Leinwand, die als Sonnenschutz diente. Kinder im Sonntagsstaat rannten herum und riefen einander mit schrillen Stimmen. Unter die Ladys hatten sich vereinzelt ein paar Gentlemen gemischt. Von ihren Westen baumelten silberne Uhrketten, und die kniehohen Reitstiefel waren auf Hochglanz gewichst.
»Jack.« Thomas Cawker stand ein wenig abseits und winkte ihn zu sich.
»Kommen Sie, ich möchte Sie jemandem vorstellen.« Thomas machte eine Kopfbewegung zu einem kleinen Mann mit teigiger Haut und tief liegenden, dunklen Augen hin. Er stand blasiert neben seiner noch kleineren Frau, die in trübes Marineblau gekleidet war.
»George Robertson«, flüsterte Thomas. »Er und seine Frau sind kinderlos und haben ihr Leben auf Warrock ganz und gar ihrer imposanten Station verschrieben. Man hört, er würde seine Leute anständig behandeln und sie ermuntern, regelmäßig Gottesdienste abzuhalten, wenn auch nicht in Ihrem Glauben, wie ich annehme, Jack. Sollen wir uns an ihn wenden und ihn fragen, ob es dort Arbeit für Sie gibt?« Jack nickte, und sie gingen auf den kleinen Gentleman mit dem Zylinder zu.
»Dies ist George Robertson, der Besitzer der Warrock Station«, sagte Cawker. Jack streckte die Hand vor, spürte aber, dass Robertson sie nur widerwillig ergriff.
»Jack sucht Arbeit als Viehtreiber«, erklärte Cawker. »Er ist ein guter Reiter und ehrbar dazu.«
»Danke, dass Sie ihn mir vorgestellt haben, Mr Cawker, aber in diesem Jahr brauche ich niemanden mehr«, erwiderte Robertson leicht verstimmt. »Ich fürchte, Sie müssen sich an jemand anderen wenden.« Er wandte sich zum Gehen. Dann rief er, als bereute er seine Grobheit, Jack über die Schulter zu: »Ich würde Ihnen raten, es auf der Muntham Station zu versuchen.«
»Kommen Sie, Jack«, sagte Thomas und reichte einer beschürzten Dame seinen leeren Becher. »Wir werden schon noch Arbeit für Sie finden. Aber lassen Sie uns einstweilen etwas Spaß haben.«
Jack hatte noch nie so viel hochklassige Pferde auf einem Haufen gesehen. Alle waren schlank und in Form, und in allen Fellen glänzte die Sonne. Viele waren an Karren oder Bäumen angeleint und warteten darauf, für die anstehenden Rennen gesattelt zu werden. Jacks Augen kamen auf einem großen, muskulösen, fuchsfarbenen Vollblut zu liegen. Der Mann, der es sattelte, stach ebenfalls ins Auge. Sein schwarzes Haar war genau in der Mitte gescheitelt, und sein Schnur- und Backenbart rahmten ein schlankes, entschlossenes Gesicht und ernste, dunkle Augen ein. Als Thomas sich ihm näherte, erstrahlte sein Gesicht in einem Lächeln und wirkte weicher.
»Aha, Mr Cawker. Es ist mir eine Freude, Sie wiederzusehen.«
»Mr Cuthbert Featherstonhaugh!«, begrüßte ihn Thomas und schüttelte dabei kraftvoll seine Hand. »Welche unerschrockene Tapferkeit und Tollkühnheit werden Sie den Zuschauern heute vorführen? «
»Ach, Mr Cawker, ich garantiere Ihnen, dass mein Blut wieder in Wallung geraten wird, wenn ich erst gegen diesen Schurken Billy Trainor antrete!«
Jack hörte einen leichten irischen Singsang in der Stimme des Mannes, genau wie in seiner eigenen.
»Ich möchte Ihnen einen Neuling im Crossing Place vorstellen – Mr Jack Gleeson.«
Jack reichte ihm die Hand, und Cuthbert ergriff sie, ohne zu zögern.
»Lassen Sie sich nicht von seinem blumigen Namen nasführen, Jack«, sagte Thomas.
»Ay. Meine Mutter war nicht ganz richtig im Kopf, als sie mich taufen ließ«, bestätigte Cuthbert augenzwinkernd.
»Sein Name mag wie der eines butterweichen Gentleman klingen«, fuhr Thomas fort, »aber Cuthbert setzt mit seinem
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