Australien 03 - Tal der Sehnsucht
schauten die Gäste auf. Rosie spürte, wie ihr warm wurde. Sie war so froh, Jim zu sehen, vor allem hier. Er war ganz eindeutig ihretwegen hier.
»Es geht um deine Stute, Rosie.« Sein unüberhörbarer irischer Akzent schnitt durch das höfliche Gemurmel der Gäste. »Ich glaube, sie wird bald fohlen. Es sieht so aus, als hätte sie ziemliche Mühe damit.«
Rosies Augen wurden vor Aufregung und Spannung kreisrund.
»Gehen wir!« Sie sprang von ihrem Stuhl und raste auf die Ställe zu. Jim wendete den jungen Hengst und folgte ihr.
»Rosemary!«, rief ihre Mutter ihr nach. »Du hast gleich wieder ein Spiel!«
Aber Rosie war schon weg.
Später blickten Jim und Rosie unter der kühlen Stallbeleuchtung auf das neugeborene Fohlen.
»Was für ein Prachtbursche«, sagte Jim strahlend wie ein stolzer Vater. Er hielt das Fohlen fest, damit es bei seinem ersten Stehversuch nicht gleich wieder umfiel. Danach ließ er es los, und der kleine Fuchshengst stolperte auf seinen spitzen kleinen Hufen los. Er drehte den Hals, reckte den hübschen Kopf mit der weißen Blesse vor und suchte nach etwas zu trinken. Sassy schnaubte zufrieden und fraß in aller Ruhe, während das Fohlen das Maul über ihrer Zitze schloss und zu saugen begann.
»Hast du dir schon einen Namen für ihn überlegt?«, fragte Jim.
»Ich glaube, ich werde ihn Morrison nennen«, sagte Rosie leise. »Du weißt schon, nach Van.«
»Ach ja, einer von Irlands größten Musikern. Aber hast du dir das wirklich gut überlegt … bist du sicher, dass du ihn nicht Sinead nennen willst?« Jim sah sie herausfordernd an.
»Nee … dazu hat er zu viele Haare. Er heißt Morrison.«
»Oder Bono?«, schlug Jim vor.
»Nein! Nicht U2!«
»Aber Rory Gallagher!«
»Nein! Vergiss es, Jim. Er heißt Morrison.« Rosie sah ihn rätselnd an. Flirtete er mit ihr?
»Du könntest auch was Skandinavisches nehmen und ihn Björk nennen.«
»Er heißt Morrison! « Rosie verschränkte die Arme in einer übertrieben ärgerlichen Geste.
»Ich will doch nur helfen«, sagte Jim schmollend. Rosie verstummte.
»Und was ist mit den anderen Kleinen?«, fragte Jim mit einem Nicken zu der Box nebenan, in der Dixie auf ihrem Strohbett lag und ihren winzigen, wuselnden Nachwuchs säugte.
»So viele Namen fallen mir im Moment nicht ein.«
»Willst du sie beim Kelpie Council registrieren lassen?«
Rosie zuckte mit den Achseln.
»Du könntest einen Abstammungsnachweis für die Tiere bekommen. Du könntest eine Zucht für Arbeitspferde und für Kelpies aufziehen. Damit sie dir was einbringen. Das würde ich jedenfalls machen.«
»Wer würde mir schon Arbeitshunde oder ein Pferd abkaufen? Ich verstehe doch nichts davon.«
»Das wirst du nie herausfinden, wenn du es nicht probierst … und außerdem werden dir die Gene in diesen wundervollen Tieren alles verraten, was du wissen musst. Du musst nur lernen, sie zu lesen. Gute Tiere lehren ihre Züchter. Was meinst du?«
Rosie sah Jim an. Sie wollte ihn küssen, hier unter der kühl leuchtenden Stallbeleuchtung, umgeben vom süßen Duft nach Heu und Pferden. Sie musste ihn küssen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, kniff die Augen zu und legte die Lippen auf seinen Mund. Sie spürte, wie er ihren Kuss erwiderte, anfänglich nur zögernd, aber dann mit immer größerer Leidenschaft. Er zog sie an seine Brust, und sie spürte, wie sein Körper auf sie reagierte. Aber genauso plötzlich ließ er sie wieder los.
»Verzeih mir, Rosie«, sagte er. »Du bist ein unglaubliches Mädchen, aber… ich weiß nicht.«
Rosie spürte, wie sie knallrot anlief.
»O Gott. Das ist mir peinlich. Ich dachte, du …«
»Nein! Ich meine ja. Ich finde dich sehr attraktiv.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wandte verlegen den Blick ab. »Du bist phantastisch. Aber die Sache ist, ich möchte gern hier bleiben. Von hier aus habe ich es nicht weit zu Ronnie Seymour und kann ihm ab und zu zur Hand gehen. Und wenn dein Vater rauskriegen würde, dass ich mit seiner Tochter rummache … also… ich möchte meinen Job nicht verlieren.«
Rosie trat lächelnd einen Schritt vor und wollte ihm schon erklären, dass Gerald nicht ihr leiblicher Vater war, aber Jim war noch nicht fertig.
»Ich meine, sehen wir den Tatsachen ins Auge. Du bist einfach zu vornehm für mich. Zu Hause werden Leute wie ich von den Snobs als ›Prolo‹ bezeichnet. Ich weiß genau, was du denkst. Du meinst es nicht ernst, stimmt’s? Du willst dich nur ein bisschen mit dem
Weitere Kostenlose Bücher