Australien 03 - Tal der Sehnsucht
und einen roten Abdruck hinterließ.
Wie konnte ihre Mutter ihr das nur antun? Rosie sah verstohlen zu Gerald hinüber, der sich an den Rand des Partygeschehens zurückgezogen hatte. Er fuhr pflichtbewusst fort, den Gästen Pimms und Limonade einzuschenken, wirkte dabei aber so zerstreut und geistesabwesend, dass die Menschen einen weiten Bogen um ihn machten. Es war unübersehbar, dass Gerald sich abgeschottet hatte. Rosie hatte schon öfter erlebt, dass er sich so zurückzog, und sie konnte die Anzeichen auch jetzt in seinen Augen sehen. So schlimm wie heute war es allerdings noch nie gewesen. Rosie schmetterte einen Aufschlag übers Netz, und der junge Moorecroft ging in Deckung.
Neben dem Tennisplatz lagerten arrogante junge Männer mit ihren Biergläsern auf Margarets neuen Gartenmöbeln und glotzten auf Rosies nackte Beine. Prudence mit ihren gut dreißig Jahren saß zwischen ihnen, kicherte laut über ihre Witze und zwirbelte ihre schwarzen Locken. Trotz ihres teuren Tennisoutfits und der blendend weißen Sportschuhe mit passendem Schweißband wirkte Prue alles andere als sportlich. Auf den fleischigen Schenkeln wabbelte die Zellulitis, wenn Prue die Beine übereinander schlug, und ihre Oberarme schwabbelten, wenn sie Rosie zu einem gewonnenen Punkt applaudierte. Animiert von den neuen männlichen Gästen bei den Highgrove-Joneses hatte sie »die Stimme« aufgesetzt, um Eindruck zu schinden. Ihre übertrieben deutlich betonten Kommentare schallten zwischen knallrosa leuchtenden Lippen hervor.
»Guter Punkt, Rosemary! Eins zu null für uns Mädels!«, bellte sie.
Halb zufrieden, dem kleinen Moorecroft den fetten Arsch versohlt zu haben, stampfte Rosie vom Court. Aber als sie Prue laut schwadronieren hörte, sackte ihre Laune sofort wieder ins Bodenlose.
»Iha da!«, sagte Prue gerade zu den Jungen. »Am Fraaitag bin ich drüben, und dann könnt iha mia einen Chaardonnaay spendian. « Ihr Blick nagelte unter den dunklen Wimpern hervor die Männer fest, die vor dieser Aussicht unübersehbar zurückschreckten. Rosie plumpste in einen Stuhl, ließ ihren Tennisschläger fallen und seufzte laut. Im nächsten Moment kam ihre Mutter anscharwenzelt, in einen vorteilhaften blauen Tennisdress gekleidet und mit einer silbernen Uhrkette um den Hals.
»Rose, Schätzchen, warum schaust du nicht kurz in die Küche und holst frische Limonade und ein paar neue Gläser? Der Krug ist schwer. Bestimmt wird dich David begleiten und dir beim Tragen helfen.«
Margaret legte eine feste Hand auf Dubbos Schulter, der sofort sein Bier absetzte.
»Klar. Sicher. Klar«, sagte er und sprang in Habachtstellung. Eifrig hinkte er Rosie hinterher über den Rasen ins kühle Haus.
In der Küche standen die mit straff gespannter Haushaltsfolie abgedeckten Salate fürs Abendessen aufgereiht wie durchsichtige Trommeln im Kühlschrank. Die Anrichte war sauber abgewischt, und der Nachmittagstee wartete in einem Nest aus blütenweißer Gaze, die mit goldenen Hummeln bestickt war. Auf mehreren Tabletts standen hoch aufgestapelt blitzblanke Gläser bereit.
»Die Limonade ist im Kühlschrank«, erklärte Rosie mürrisch, während sie einen Eiswürfelbehälter aus der Gefriertruhe holte. Dubbos braune Augen zuckten kurz nervös zu ihr herüber, argwöhnisch angesichts der aggressiven Energie, die Rosie ausstrahlte.
Rosie sah zu ihm hin. Was dachte sich ihre Mutter nur? Natürlich hatte in Margarets Denkweise Dubbo die richtige Abstammung. Seine Familie besaß eine der größten Stationen in der Gegend, und sie verfügte über Verbindungen in der City! Wen interessierte es da, dass er der Mann war, der am Steuer gesessen hatte, als Sam getötet wurde! Die unterschiedlichsten Gefühle ballten und bekriegten sich in Rosie, die plötzlich daran denken musste, wie sie Sam in dieser Küche geküsst hatte. Sie schauderte vor der Vorstellung, dass sich die Geschichte wiederholen könnte… mit Dubbo. Er war zwar Sams bester Freund gewesen, aber sie kannte ihn trotzdem kaum. Dass er hier in ihrer Küche stand, schien die kaum verheilten Narben aufzureißen, die Sams Tod und seine Untreue hinterlassen hatten. Als sie es nicht schaffte, die Eiswürfel aus der Plastikform zu drücken, knallte sie den Behälter laut fluchend gegen die Spüle.
Dubbo, der noch in den riesigen Kühlschrank geschaut hatte, sah sichtlich erschrocken über ihren Ausbruch auf.
»Lass mich das machen«, erbot er sich. Er kam zu ihr und drückte mit seinen starken Farmerfingern das
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