Australien 03 - Tal der Sehnsucht
Solange du mich da rauslässt.«
Jetzt, Monate später, richtete sich Rosie auf, mit Lämmerblut besprenkelt und todmüde, aber glücklich, das letzte Lamm markiert zu haben. Während sie und Jim den provisorischen Pferch zurück zu den Stallungen transportierten, freuten sie sich schon auf etwas Heißes zu trinken und auf ein warmes Essen. Rosie wusste, wie glücklich sie sich schätzen konnte, ihren Traum ausleben zu können. Sie schaute vom Fahrersitz zu Jim hinüber und lächelte. Auch er war ein einziger Traum. Nie griff er ungefragt ein und riss eine Aufgabe an sich. Trotzdem war er immer für sie da, teilte ihre Last, half und riet ihr, munterte sie auf, brachte sie zum Lachen und küsste ihre Sorgen weg.
Sie liebte die Abende an seiner Seite. Dann nahm er ihre Hände, beugte sich darüber, zog die Distelstacheln aus ihren Fingern und verpflasterte ihre Blasen. Sie machten sich Toast in seinem Quartier, tranken Bier und redeten bis tief in die Nacht. Die schönsten Zeiten aber waren vielleicht die Stunden, in denen sie die kleinen, rabaukenhaften Welpen trainierten. Sie waren inzwischen fünf Monate alt, und Rosie hatte beschlossen, den ganzen Wurf zu behalten und die Tiere erst als ausgebildete Hütehunde zu verkaufen. Wieder einmal musste sie an die allererste Lektion denken, die Jim ihr beim Training der winzigen, ungestümen Welpen erteilt hatte.
»Aber sie sind doch noch so klein«, hatte sie sich beklagt, während sie gleichzeitig einem Welpen ein rotes Halsband anlegte.
»Welpen sind nie zu jung zum Lernen, Rosie. Sie müssen erst gründlich Gehorsam lernen, bevor du sie auch nur in die Nähe eines Schafes lassen kannst.« Jim hatte neben ihr gekniet und einem zweiten Welpen das Halsband angelegt.
»Aber ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!«
»Also, vielleicht damit, dass du ihnen einen Namen gibst. Du kannst einem Hund nicht beibringen, auf deine Befehle zu reagieren, solange er keinen eigenen Namen hat.«
»Mmmm. Namen? Na gut, dann denken wir uns welche aus. Aber nichts von diesem Bono- oder Björk-Quatsch, okay?«
»Du brauchst nicht so pinselig sein, was meine Qualitäten als Namensgeber angeht.«
»Pinselig? Was für ein Wort soll das denn sein? Ihr Iren mit euren komischen Worten und Namen! Wenn ihr eure Namen wenigstens so schreiben würdet, wie sie klingen… im Ernst, das ist doch lächerlich! Schau dir nur mal an, wie ihr einen Namen wie Siobhan und Grainne schreibt. Woher soll ein normaler Mensch wissen, wie man so was ausspricht?«
Sie verstummten nachdenklich.
»Ich weiß!«, rief Rosie plötzlich aus. »Ich könnte sie nach den berühmten Hunden nennen, die von Gleesons Kelpie abstammten! Die, von denen ich gelesen habe.«
Sie lief ins Quartier, kam mit einem Zettel wieder und fuhr die Zeilen mit dem Finger nach.
»Die beiden Hündinnen könnten Sally und Jess sein. Und die drei Rüden wären dann Clyde und Coil und – «
»Chester!«, ergänzte Jim.
»Perfekt!«, befand Rosie.
Und so wurden die Welpen getauft.
Kapitel 26
A ls Rosie wieder auf den Hof gefahren kam, nachdem sie den ganzen Vormittag nach den frisch markierten Lämmern gesehen hatte, hörte sie das laute Schrillen des Telefons schon von weitem. Ihre Mutter kam bereits mit einem Arm voll Spinat beladen aus dem Gemüsegarten gelaufen.
»Ich gehe schon dran«, rief Rosie ihr zu, trat sich die Stiefel von den Füßen und rannte ins Haus.
Sie riss den Hörer von der Gabel. »Hallo?«
»Rosie?«, hörte sie die Stimme ihres Bruders aus dem Apparat.
»Hi Julian! Wie geht’s denn so?«
»Bitte entschuldige, dass ich mich nicht schon früher gemeldet habe, um mich zu erkundigen, wie es bei euch läuft. Ich habe versucht, hier was auf die Beine zu stellen.«
»Ist schon okay. Jim und ich kommen zurecht.«
»Gut. Ich will euch bald besuchen kommen, damit ich euch bei allem, was so ansteht, zur Hand gehen kann«, kündigte er an.
»Super! Warum willst du kommen?«
»Ehrlich gesagt würde ich gern wissen, ob sich die Atmosphäre auf der Station geändert hat, seit Dad nicht mehr da ist.«
»Aber ja. Und wie. Wann kommst du?«
»Wäre morgen okay?«
»Du hast das Lämmermarkieren verpasst.«
»Verdammt!«
»Ich wusste, dass dich das treffen würde.«
»Kannst du Mum sagen, dass ich komme? Und dass ich jemanden mitbringe.«
»Aha!«, sang Rosie. »Jemand Besonderen , wie?«
»Bis morgen«, verabschiedete sich Julian mit einem Lächeln in der Stimme.
Als Rosie die Neuigkeiten ausrichtete, ließ
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