Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Emily ihre Meinung ändern oder ihn irgendwie verärgern konnte, war er verschwunden und eilte im Laufschritt durch die hohen Gräser auf den Truck zu. Dort hob er gut gelaunt die Mädchen in die Kabine und winkte Emily noch einmal zu, bevor er in seinen Wagen stieg und davonbrauste.
»Er ist wirklich nett, ehrlich«, sagte Meg, als Emily nachgekommen und auf den Fahrersitz geklettert war.
»Es reicht, Meg«, schnappte sie.
»Aber er ist echt nett«, bekräftigte Tilly.
»Du hältst auch den Mund.« Emilys Nerven sirrten wie Hochspannungsdrähte.
»Warum ist Mummy so sauer auf Luke?« Tilly verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Weil sie ihn mag, aber sie glaubt, sie darf nicht mit ihm zusammen sein, weil er ein Ranger ist«, erklärte Meg ihr weise. »Und sie traut sich nicht, uns einen neuen Daddy zu geben – wo wir noch den alten Daddy haben.«
»Aber unser alter Daddy hat neue Babys, also darf Mummy uns auch einen neuen Daddy geben.«
»Es reicht, ihr beiden! Ja, ich kann Luke gut leiden. Okay, ich kann ihn wirklich gut leiden, und euer alter Daddy wird immer euer Daddy bleiben. Man tauscht seinen Daddy nicht einfach aus. Aber könnt ihr jetzt bitte aufhören, darüber zu reden?«
»Kannst du ihn wirklich, wirklich gut leiden?«, fragte Meg nach.
»Für einen Jungen ist er echt nett«, bekräftigte Tilly noch einmal.
»Ja«, sagte Meg. »Für einen Jungen schon. Er wäre bestimmt ein netter zweiter Daddy.«
»Wollt ihr beiden endlich still sein?« Emily bereute schon jetzt, dass sie Luke keinen Korb gegeben hatte. Sie war so nervös wie vor einem ersten Date. Schon ging sie im Kopf durch, was sie an Arbeitsklamotten eingepackt hatte. Dann ging ihr auf, dass sie nur noch ein Paar saubere Unterhosen dabeihatte, ausgerechnet die knallgrünen mit der weißen Aufschrift Pflüg meine Furche über einem Pfeil, der zwischen ihre Schenkel zeigte. Zu spät, um das unauffälligste Paar auszuwaschen, das mit dem Welpen und dem Aufdruck Schenk mir deinen Knochen . Das würde bestimmt nicht rechtzeitig trocknen. Also musste es der grüne Slip tun.
»O Gott«, stöhnte sie und fragte sich, warum ihr ihre Unterhosen einfielen, wenn sie an Luke dachte.
»Schon okay«, versicherte ihr Meg. »Gott weiß Bescheid, Mummy. Er weiß alles.«
39
Als Emily sich am Morgen anzog, konnte sie kaum glauben, dass sie sich den Kopf darüber zerbrochen hatte, welchen Slip sie anziehen sollte. Als würde Luke Bradshaw den zu sehen bekommen! Sie würde ihn nicht herzeigen, selbst wenn er sie anflehte.
Draußen schien die Sonne sanft auf die Ostwand und das Dach, und das Farmhaus auf den High Plains erwachte knarrend aus dem Schlaf. Es würde ein warmer Tag werden. Emily hörte, wie die Mädchen aufwachten, sich im Bett wälzten, miteinander flüsterten und sich dann erinnerten, dass heute der große Tag war, an dem sie Evie besuchen und mit ihr nach Dargo fahren würden, um die Einkäufe zu erledigen. Bevor sie vor Aufregung aus dem Bett sprangen, eilte Emily durch den Flur ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Frischer Atem, falls er mich küssen will, dachte sie und schob den Gedanken gleich wieder beiseite.
Im Halbdunkel des Badezimmers starrte sie ihr Spiegelbild an. Die großen, dunklen Augen, das glänzende, länger gewordene dunkle Haar, das ihr Gesicht umrahmte. Die Haut war glatt und seidig. Vielleicht konnte Luke sie doch mögen … Sie beugte sich vor, um nach ihrer Zahnbürste zu greifen, und sah in diesem Moment im Spiegel eine Frau in der Tür stehen. Ein weißes Nachthemd blitzte auf, dazu ein süßes Lächeln inmitten der langen, dunkelgrauen Haare, die weich das Gesicht der Frau umspielten. Emily fuhr herum und warf dabei mit lautem Scheppern den Becher mit den Zahnbürsten und der Zahnpasta um. Sie war allein.
»Okay, Emily«, versuchte sie, sich zu beruhigen. »So etwas ist heutzutage ganz normal. Du wirst dich daran gewöhnen müssen, Granny Emily. Ich weiß, dass du hier bist. Aber woran willst du mich eigentlich erinnern? Ist das etwa die Arbeit, die ich hier zu erledigen habe? Die Reiseführerin für einen Ranger spielen?«
Verschlafen schob Tilly die Tür zum Badezimmer auf. »Mit wem redest du, Mum?«
Blinzelnd kehrte Emily ins Hier und Jetzt zurück.
»Mit Granny natürlich, du Dummkopf.« Meg drängte sich an Tilly vorbei und hob die Zahnbürsten vom Boden auf. »Du weißt schon, die, die immer auf Mum aufpasst. Sie freut sich über den netten Mann. Sie möchte, dass sie
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