Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Känguru- und Poagräser und nagten an den ausgebleichten Skeletten der vom Schnee gefällten Bäume. In der Ferne schien das Feuer fast zu explodieren, knallend und zischend wie ein Feuerwerk entzündete sich das Öl in den grünen Eukalyptusblättern. Die Flammen verzehrten alles auf ihrem Weg. Bei Temperaturen von knapp fünfzig Grad bildeten sich kleine Tornados, die brennende Borke und Glutstückchen in den Himmel schleuderten.
Inzwischen brachen auch überall auf den Wiesen vor ihnen kleine Brände aus. Emily war klar, dass sie die Kühe unmöglich gegen den Wind zur Farm zurücktreiben konnte.
Sie musste sich etwas einfallen lassen. Plötzlich hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Atme durch, bewahre Ruhe. Im selben Moment fiel ihr der Taleinschnitt im Nordosten ein, durch den sie zum King’s Spur und von dort aus zum Little Dargo River und nach Mayford kommen würde.
Sie wusste, dass sich Brände bergab generell langsamer ausbreiteten, außerdem würde der Wind mit etwas Glück die Hauptfront des Brandes am Tal vorbeitreiben. Mayford, dachte sie unvermittelt. Das Tal, das sie nach ihrem Unfall im Traum gesehen hatte. Der Ort, an dem vor vielen Jahren die Hütte der alten Emily gestanden hatte. Mayford, dachte sie wieder, wo es immer noch einen uralten Feuerbunker ihres Großvaters gab und obendrein den tiefen Teich im mäandernden Fluss, der von mehreren Quellen gespeist wurde und immer gefüllt war. Sie wusste, dass in diesem Teich eine kleine Insel lag. Sie und Sam waren als Kinder dort schwimmen gegangen. Mayford. Mayford. Mayford. Wie ein Mantra sagte sie den Namen vor sich hin. Falls sie es mit ihren Rindern dorthin schaffte, würden sie überleben.
44
Am Little Dargo River legte Luke den Flammenwerfer beiseite, mit dem er das Unterholz ausgedünnt hatte, beugte sich in seinen Wagen nach einer Flasche Wasser und erstarrte. Im Funkgerät wiederholte eine Frau mehrmals, dass Emily Flanaghan auf den Dargo High Plains vermisst werde. Ihre Stimme bebte vor Angst. Obwohl die Worte über dem Dröhnen der beiden Bulldozer, die zum Schutz des Ortskerns von Dargo Brandschneisen zogen, kaum zu verstehen waren, war er sicher, Emilys Namen gehört zu haben.
Luke nahm sich nicht erst die Zeit, den anderen in seinem Team zu erklären, wohin er wollte. Er sprang in sein Fahrzeug, wendete und raste quer durch Dargo auf die High Plains zu.
Unten an der Bergstraße parkte ein Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht, das gespenstisch durch den Rauchschleier schnitt. Ein Polizist stellte gerade Schilder auf, dass die Straße geschlossen sei. Ein Mann aus der Freiwilligen Feuerwehr half ihm dabei.
»Tut mir leid, Kumpel«, erklärte ihm der Polizist. »Da kommt keiner durch. Nicht einmal ein Ranger. Die Berge stehen in Flammen. Das da oben ist eine Todesfalle.«
Luke stieg aus seinem Wagen.
»Aber ein Mädchen wird noch vermisst … Emily Flanaghan. Wir müssen sie da rausholen!«
»Ich weiß«, sagte der Feuerwehrmann. »Wir müssten eine Menge Sachen tun und eine Menge Leute da rausholen, aber die Clowns in Melbourne haben nun mal beschlossen, dass wir hierbleiben und Dargo schützen müssen. Eine ganze Ortschaft ist wichtiger als ein einzelner Mensch.«
»Aber Emily wird vermisst.«
»Die Leute in Melbourne werden bestimmt keine Einheit da hochschicken, nicht wenn ein ganzer Ort vom Feuer bedroht wird. Tut mir wirklich leid, aber im Moment können wir gar nichts unternehmen.«
Luke sah den Feuerwehrmann an, der es bestimmt nur gut meinte. Er wusste, dass die Feuerwehr aufgrund ihrer hierarchischen Strukturen jedes Jahr vor dem gleichen Dilemma stand. Die Männer und Frauen kannten das Land in- und auswendig, sie wussten, wohin sich die Brände ausbreiten würden, wann das Wetter umschlug … aber die Kommandos erteilten andere, die weiter oben auf der Leiter hockten. Luke sah diesem Feuerwehrmann an, wie müde und abgekämpft er war. Natürlich lag ihm etwas an den Flanaghans, aber er machte dieses Spiel schon seit Jahren mit.
»Ich fahre hoch«, erklärte ihm Luke.
»Nein, das werden Sie nicht …«, sagte der Polizist gerade, als ein großer roter Viehtransporter bergab auf die Straßensperre zugerast kam. Sie hörten, wie der Fahrer herunterschaltete, während der Truck langsamer wurde und schließlich zischend anhielt. Ein stechender Geruch nach Kuhdung begrüßte sie, gepaart mit dem Muhen der Kühe im Auflieger und Anhänger.
Luke erkannte Emilys Vater und Tante, sobald sie aus dem Führerhaus
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