Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
in die Menge eintauchte.
Es machte sie glücklich, an der Seite ihrer alten Freundin spazieren zu gehen. Sie und Bridie waren wilde Mädchen gewesen und hatten auf ihren Fahrrädern und Ponys die Bäche, Flüsse und sämtliche Buschpfade der Gegend unsicher gemacht. Als Kind war Bridie ein unförmiger Klotz gewesen, aber jetzt hatten ihre breiten Schultern ein atraktives Zimtbraun angenommen, und sie trug ihr Gewicht mit Würde. Ihr eng anliegendes aquamarinblaues Top umschloss eine zwar breite, aber immerhin noch so schlanke Taille, dass sie eine einladende Stundenglasfigur bildete. Sie schwenkte ihren ausladenden Hintern graziös wie eine stolzierende Katze, was sie vermutlich bei ihrer Ausbildung gelernt hatte. Obwohl sie so schwer war, strahlte sie beim Gehen puren Sex aus. Emily hätte gern ein paar Stunden bei ihr genommen. Bridie atmete aus jeder Pore Selbstbewusstsein und Stärke. Und obwohl man ihr, wie sie erzählte, das Herz gebrochen hatte, schien sie voller Lebenslust. So wie Emily früher.
Sie setzten sich auf ein abschüssiges Stück Rasen, der von generatorbetriebenen Flutlichtern erhellt wurde. Neben ihnen mischten sich Meg und Tilly unter die Horde von Kindern, die auf plattgedrückten Bierkartons den noch nassen Abhang hinunterrutschten. Beide lachten über das Treiben der Kinder, bis Bridie schließlich den Kopf gegen Emilys sinken ließ.
»Ich freue mich wahnsinnig, dich wiederzusehen.«
»Mir geht es genauso.«
»Tut mir leid, dass ich nie geschrieben habe.«
»Ich ja auch nicht. Ich bin eine beschissene Briefeschreiberin. Ich schreibe nur, wenn es unbedingt sein muss.«
Bridie hob den Kopf und sah Emily an. »Ich weiß, wir haben uns lange nicht gesehen, kann ich trotzdem ganz offen sein?«
Emily nickte, sie hatte keine Ahnung, was Bridie ansprechen wollte.
»Es sieht so aus, als müsstest du so einiges auf die Reihe bekommen.« Sie hob den Hut ihrer Freundin an und betrachtete die erbarmungslos abgesäbelten Haare.
»Wirklich?«
»Dein Mann hat mich gerade angebaggert.«
Emily merkte, wie ihr augenblicklich die Tränen einschossen. Natürlich hatte er das.
»Überrascht mich nicht«, flüsterte sie, weil ihr die Stimme zu versagen drohte.
Bridie legte den Arm um ihre Schultern.
»Hey! Psst! Keine Panik. Tante Bridie ist ja da! Schönheitsberaterin bei Tag, ausgebildete Gesprächstherapeutin und Saufpartnerin bei Nacht.«
Emily nickte dankbar. »Ich denke daran, ihn zu verlassen.«
»Da gibt’s doch nichts mehr zu bedenken!«
Emily sah sie verletzt an.
»Entschuldige.« Sie legte den Kopf schief. »Wann?«
Emily zuckte mit den Achseln.
»Ich weiß, ich habe ihn gerade erst kennengelernt, aber der Mann ist ein Arschloch, Emily. Arschlöcher erkenne ich auf den ersten Blick.« Sie versuchte Emilys Reaktion abzuschätzen. »Mann, entschuldige. Sag mir, wenn ich zu weit gehe.«
Emily lächelte. »Nein, du hast völlig recht. Er ist ein Arschloch. Morgen reite ich bei dem Rennen mit. Danach werde ich ihm erklären, dass ich ihn verlasse.«
»Im Ernst?«, fragte Bridie.
»Im Ernst.«
»Braves Mädchen!« Sie prostete Emily zu. »Jetzt gibt es kein Zurück mehr!«
Als Emily später leise den Reißverschluss ihres Zeltes aufzog, spürte sie Clancy in ihrem Rücken.
»Du hältst dich wohl für superschlau, wie?« Er packte sie am Arm. »Dich mit dieser fetten Kuh zu verziehen und mich wie Scheiße zu behandeln.«
Sie schüttelte seine Hand ab.
»Psst!«, zischte sie, weil sie weder die anderen Camper noch die Mädchen wecken wollte, die sie gerade im Zelt nebenan schlafen gelegt hatte. Sie ging von ihm weg in Richtung Bach.
In der Dunkelheit sah sie durch die Eukalyptusbäume zu den Sternen auf und versuchte Mut zu sammeln, um ihn wegen der Lastwagenfahrernutten zur Rede zu stellen. Ihm zu erklären, dass ihre Ehe tot war. Aber die Worte wollten ihr nicht über die Lippen. Clancy rutschte in seinen Cowboystiefeln hinter ihr die Uferböschung hinunter. Sie konnte den Alkohol in seinem Atem riechen und den stechenden Schweißgeruch seiner Achseln. Immer noch in Stiefeln platschte sie durch das flache Wasser, um ihn abzuhängen.
Danach wurde ihre Erinnerung ungenau und versank streckenweise in der Dunkelheit wie Schatten in der Nacht. Sie konnte sich noch erinnern, wie sich seine Finger in ihre weichen Arme bohrten. Sein Griff war viel zu fest. Seine Finger schienen sie zu verbrennen, als er sie rückwärts in das steinige Bachbett drückte. Sie versuchte aufzuschreien, doch
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