Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
in der Cattlemen’s Bar, doch diesmal behandelte er sie nicht wie eine Prinzessin, sondern wie Dreck. Zorn flammte in Emily auf. Die Kinder im Schlepptau drängte sie sich durch die Menge zu ihm vor.
Aber noch bevor sie ihn zur Minna machen konnte, drehte sich die junge Frau, mit der er sich unterhalten hatte, zu ihr um und strahlte sie an.
»Emily!«, rief sie aus.
Emily sah sie verständnislos an.
»Kennst du mich nicht mehr?« Die andere drückte die beringten Finger auf Emilys Brust. »Bridie. Bridie McFarlane! Aus der Grundschule?«
»Bridie McFarlane! O mein Gott!«, rief Emily begeistert aus. »Natürlich kenne ich dich noch. Ich erkenne dich nur nicht wieder !«
»Ja, ich weiß schon, damals in der Schule haben mich die Jungs immer nur Klops gerufen. Ich war damals richtig fett.«
»Komm her!« Damit fielen sich die Mädchen in die Arme, überwältigt von den Erinnerungen an ihre Freundschaft in der winzigen Dorfschule. Emily bückte sich, um Tilly und Meg vorzustellen. »Das ist Mummys beste Freundin aus der Grundschule!« Sie richtete sich wieder auf. »Mein Gott, was tust du hier draußen? Ich dachte, du wärst wieder nach Tasmanien gezogen.«
»Mum und Dad sind noch dort, aber ich bin von da aus nach Brisbane gegangen, auf eine Bjuuutie- Akademie. Du weißt schon, Gesichtsmasken, Wachsen, Färben… solche Sachen.«
»Das ist ja super!«
»Und du?«
Emily zuckte mit den Achseln und ließ den Kopf hängen. Clancy stand neben ihnen, zwei Drinks in der Hand, und wäre am liebsten im Boden versunken.
»Ich spiele die Sklavin für meinen Mann. Aber wie ich sehe, habt ihr euch schon kennengelernt.«
»Deinen Mann ?«, wiederholte Bridie und sah Clancy scharf an. Sie nahm ihm beide Dosen ab, reichte eine davon an Emily weiter und behielt die andere für sich. Dann warf sie ihm einen frostigen Blick zu, ohne ihm zu danken.
»Kümmert er sich gut um dich da draußen in Dargo?«, erkundigte sie sich vielsagend.
Emily schüttelte den Kopf. »Wir wohnen nicht mehr in Dargo. Clancy arbeitet als Fernfahrer von Brigalow aus, wir haben da unten ein Haus.«
»Emily Flanaghan in Brigalow! Jesus!« Bridie wandte sich wieder an Clancy. »Wie hast du sie aus den Bergen entführen können?«
»Mit meinem guten Aussehen und meinem Charme«, antwortete er mit einem nervösen Augenzwinkern.
»Bei mir hätte das nicht geklappt«, meinte Bridie trocken, dann drehte sie ihm den Rücken zu und sah wieder Emily und die Mädchen an. »Wirklich schade, dass ihr nicht mehr da wohnt. Ich ziehe nämlich zurück nach Dargo, weil ich dort meinen eigenen Schönheitssalon aufziehen will. Ich hätte dich und die Mädchen richtig aufputzen können. Das wäre echt witzig gewesen.«
»In Dargo? Mein Gott, warum ausgerechnet da?«
»Ein Mädchen mit gebrochenem Herzen tut manchmal merkwürdige Dinge. Ich schätze, ich wollte einfach irgendwohin, wo ich mich auskenne. Außerdem habe ich keine Lust mehr, mir beim Arbeiten die Füße krumm zu laufen.« Sie nahm einen Schluck aus ihrer Dose. »Ihr müsst unbedingt mal vorbeikommen.«
»Liebend gern! Ich könnte ein bisschen Entspannung und freundliche Ansprache gebrauchen.«
Dieser Gedanke schien Clancy sichtbar zu missfallen, und plötzlich ging Emily auf, dass er in den letzten Jahren all ihre Freundschaften mit anderen Frauen sabotiert hatte. In diesem Moment erkannte sie glasklar, dass ihr Leben nicht mehr ihr selbst gehörte. Sie musste an die Quittung denken, die sie gefunden hatte, und spürte wieder einen schmerzhaften Stich.
Inzwischen hatten sich die Gewitterwolken verzogen, und im Osten strahlte klar sichtbar der Abendstern. Der zunehmende Mond stand als schmale Sichel über dem Horizont, während sich der bleiche Himmel allmählich tintenblau einfärbte. Im Westen fächerten lila und rosa Strahlen über der untergehenden Sonne aus und erhellten den Himmel. Wieder lag Wärme in der Luft, doch jetzt war es so dampfig, als wären sie im Dschungel.
»O Mann«, sagte Bridie und zog den Kopf ein, sodass sie unter dem Vordach heraussehen konnte, »würdet ihr euch diesen Sonnenuntergang ansehen! Es ist so verflucht schön hier oben. Kommt schon.« Sie hakte sich bei Emily ein und nahm Tillys Hand. »Kommt, Mädchen, wir gehen ein bisschen spazieren, während euer alter Dad sich hier alleine zuschütten kann.«
Clancy sah stinksauer aus, aber Bridie wirkte so entschlossen, dass er nicht protestierte. Sicherheitshalber warf Emily ihm noch einen scharfen Blick zu, bevor sie
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