Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Lidern und feuermelderrote Lippen. Mittlerweile wusste Emily, wie Clancys Hirn arbeitete, und schloss daraus, dass ihn die roten Lippen an Körperteile erinnern würden, die er unbedingt kennenlernen wollte.
Emily war eifersüchtig und fühlte sich ausgeschlossen. Der Zorn über seine Seitensprünge brodelte in ihr wie in einem Vulkan die Lava kurz vor dem Ausbruch. Aber trotz ihrer Eifersucht musste Emily zugeben, dass das Mädchen atemberaubend aussah. Ein bisschen billig, aber völlig im Reinen mit ihrem ganz und gar nicht perfekten Körper. Zum einen war sie fast so groß wie Clancy und hatte die Schultern einer sowjetischen Schwimmerin. Außerdem war sie üppig und kurvig, Wonderwoman in Jeans und Tanktop. An ihren Handgelenken baumelten goldene Armreifen und Glasperlenbänder, und sie hatte das blonde Haar auf dem Scheitel zusammengefasst, sodass sich die Enden leicht in der feuchten Luft ringelten. Sie sah so aus, als würde sie einen Mann in der Kiste in die Beinschere nehmen, und vielleicht hätte sie genau das mit Clancy getan, wenn dessen Frau nicht zufällig dazu gekommen wäre.
Emily sah den Männern und Frauen hinter der Bar zu, die damit beschäftigt waren, die Bierwannen mit Eis aufzufüllen, um die Dosen kühl zu halten. Sie warfen die Eisbeutel vom Laster wie Soldaten, die mit Sandsäcken eine Flut einzudämmen versuchen. Es war das gleiche Bild wie damals vor sieben Jahren, als sie Clancy das erste Mal begegnet war …
Clancy Moran war gut einen Meter achtzig groß und sah so unglaublich gut aus, dass Frauen jeden Alters kaum den Blick von ihm wenden konnten. Er erinnerte ein bisschen an den Cowboy in der Wrangler-Werbung. Mit seinem männlichen Kinn und dem dezenten Bartschatten, den indigoblauen Augen und den kurzen dunklen Haaren war er in Melbourne tatsächlich mehrfach »entdeckt« und gebeten worden, als Model zu arbeiten, aber Clancy hatte jedes Mal dieselbe Antwort gegeben.
»Modeln ist was für Schwuchteln. Kommt nicht in die Tüte.«
Als er Emily angesprochen hatte, hatte sie darauf geachtet, nicht so zu reagieren wie die anderen Frauen. Stattdessen hatte sie mit ihm geblödelt und Witze gerissen wie mit einem älteren Bruder und ihn dabei gnadenlos aufgezogen. Dass sie nicht wie alle anderen von der ersten Sekunde an seinem schönen Körper verfallen war, hatte ihn rasend gemacht.
»Ich schwöre dir, mit so engen Hosen wirst du noch unfruchtbar«, hatte sie ihm spröde erklärt, als sie an der Cattlemen’s Bar gelehnt und das erste Mal ganz legal Bier getrunken hatte. »Die kneift ja so, dass ich deine Eier erkennen kann. Hat deine Mum sie zu heiß gewaschen, oder hast du sie extra so eng gekauft, damit die Mädels was zu sehen haben?« Clancy hatte jemanden gefunden, der es mit ihm aufnehmen konnte.
Seit Emily Flanaghan sechzehn war, hatte sie ihre Jeans ausgefüllt, wie es nur ein fittes, kräftiges Countrygirl kann. Das feste braune Leder ihres Gürtels schnürte eine winzige Taille zusammen. Sie trug gern karierte Hemden mit Druckknöpfen, die Clancy am liebsten mit einer einzigen Bewegung aufgerissen hätte. Außerdem gefiel es ihm, dass sie die obersten Knöpfe offen ließ, sodass man immer den Ansatz eines blauen Unterhemdes und eine Andeutung der sonnengeküssten, sanft geschwungenen Brüste sehen konnte. Sie war fast zehn Jahre jünger als er, was ihn damals richtig scharf gemacht hatte.
Er hatte ihr erklärt, dass er schon immer ein Auge auf sie geworfen hätte, seit sie noch ein kleiner Hosenscheißer gewesen war. Ihm war aufgefallen, wie sie schon vor Jahren auf ihrem kleinen braunen Goldstück den Junior Cattlemen’s Cup gewonnen hatte, und zwar um Nasenlänge vor einem riesigen, weit ausgreifenden Vollblut. Danach hatte er Jahr für Jahr beobachtet, wie sie größer und weiblicher wurde, wie professionell sie beim Peitschenwettbewerb der Junioren auftrat, den Mund zu einem entschlossenen Strich zusammengekniffen und die Stirn unter dem weiten Hut in konzentrierte Falten gelegt.
Es gefiel ihm, wie ihre braunen, verdreckten Hände die geflochtenen Lederriemen der Stockpeitsche gestreichelt hatten, als Emily sie nach der Vorführung fachmännisch aufgerollt und sie über ihre karamellbraune Schulter gehängt hatte. Wie behände sie sich auf den Rücken ihres Pferdes geschwungen hatte, um mit ihren dunklen, offen fallenden Haaren davonzureiten wie eine exotische Prinzessin. Er hatte sie wie eine behandelt, und irgendwann hatte sie ihm gehört.
Jetzt waren sie wieder
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