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Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Titel: Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Dehne
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konservatives Geschichtsbild konzentrierte sich auf die Leistungen der Pioniere und die zivilisatorische Erschließung des Kontinents durch die (primär) angelsächsischen Siedler. Hinter der Ablehnung stand aber auch die konkrete Befürchtung, ein offizielles Schuldbekenntnis könnte enorme Schadensersatzforderungen der Aborigines nach sich ziehen. So wurde das Thema
Stolen Generations
von ihm und seiner Regierung entweder geleugnet oder heruntergespielt.
    Erst der klare Wahlsieg der Labor Party im November 2007 brachte einen Wandel in dieser Frage mit sich. Anfang Februar 2008 eröffnete Howards Nachfolger Kevin Rudd die erste parlamentarische Sitzungsperiode seiner Amtszeit mit seiner historischen „Sorry“-Ansprache. Eine wichtige symbolische Geste, die zum Heilen tiefer Wunden beitragen mag, sowohl in der Psyche der Betroffenen als auch in der kollektiven Psyche der Nation. Kompensationszahlungen lehnte aber auch die Labor-Regierung ab.
Notstandsgesetzgebung – die Northern Territory Intervention
    Mit seinem Amtsantritt übernahm Rudd die Notstandsgesetzgebung für das Northern Territory, die seine Partei knapp ein halbes Jahr zuvor unterstützt hatte. Im Juni 2007 zeigte sich die Howard-Regierung zutiefst erschüttert und empört über den Bericht einer Untersuchungskommission über weitverbreiteten Alkoholismus und Kindesmissbrauch in Aboriginal-Siedlungen im Northern Territory. Dass in den Siedlungen sehr viel im Argen lag, war eigentlich schon seit Langem bekannt. Ein paar Monate vor der offiziellen Ankündigung des Wahlkampfes hieß es nun, man könne da nicht tatenlos zusehen.
    So wurde eilig eine Notstandsgesetzgebung (die NT Emergency Response Legislation) verabschiedet, die australische Anti-Diskriminierungs-Gesetze vorübergehend außer Kraft setzte und die Bundesregierung zu drastischen Eingriffen berechtigte, so u. a. die Übernahme der Verwaltung von Aboriginal-Siedlungen und ein striktes Verbot von Alkohol und pornografischem Material. Sozialhilfe sollte teilweise einbehalten werden, stattdessen sollten Lebensmittelgutscheine ausgeteilt werden, einzulösen in Siedlungsläden oder Supermärkten der am nächsten gelegenen Stadt (aber nicht im
Bottle Shop).
Innerhalb der folgenden Wochen rückten Soldaten, Polizisten, Krankenschwestern, Ärzte und Sozialarbeiter in den ersten Siedlungen ein.
    Die Reaktion auf die NT Intervention war zwiespältig. Die Maßnahmen, allen voran das Alkoholverbot und eine verstärkte Polizeipräsenz, wurden in den Siedlungen und Town Camps durchaus begrüßt, und viele Mütter und Großmütter freuten sich, dass ihre Familie durch das Prinzip der Lebensmittelgutscheine endlich mehr zu essen hatte.
    Aber selbst Befürworter der Intervention bemängelten den blitzartigen Überrumpelungscharakter der Intervention, den Mangel an Abstimmung und Konsultation mit Behörden auf allen Ebenen, ganz zu schweigen von der Zusammenarbeit mit Repräsentanten der betroffenen Siedlungen. Der Rechtsanwalt Noel Pearson, ein Ureinwohner von der Cape York Peninsula in Queensland und unermüdlicher Kämpfer um die Verbesserung der Lebensbedingungen aller indigenen Australier, vertritt ähnliche Ansichten wie die Howard-Regierung: Aboriginal-Siedlungen müssen „trocken“ sein, Einbehaltung der Sozialhilfe für Lebensmittel ist eine gute Sache.
    Der Unterschied: Er pocht auf Selbstbestimmung und besteht auf der Verantwortung der Einzelnen und der Gemeinschaft. Diese muss sich ihre Vorschriften selbst auferlegen und deren Durchführung selbst kontrollieren. Genau dies hat sein Volk auch gemacht (siehe www. capeyorkpartnerships.com). Im Vergleich dazu war die NT-Intervention eine Top-down-Aktion, die wie in der Vergangenheit auf eine Bevormundung der Betroffenen hinausläuft und sie zum Gegenstand bürokratischer Entscheidungen degradiert. Dass die Notstandsgesetze zudem nur für Aborigines gelten, macht sie zu Rassengesetzen.
    Nach dem Machtwechsel in der Regierung setzte Kevin Rudd mit seiner Initiative
Closing
the Gap: NT National Agreements
auf einen ähnlichen Kurs. Die Intervention wurde beibehalten, aber ihr Charakter schien sich gewandelt zu haben – von einer Strafmaßnahme gegen Alkoholiker und Pädophile in eine konzertierte Aktion zur praktischen Verbesserung der Lebensbedingungen in den entlegenen Siedlungen und den Town Camps. Drei Jahre nach dem Start der ursprünglichen NT Intervention galt das Programm im August 2010 allerdings weitgehend als gescheitert. Unabhängige

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