Auswahl seiner Schriften
Stande sind. – Endlich schickte ich meine neue Arbeit an Meyerbeer nach Berlin, mit der Bitte, ihr die Annahme an dem dortigen Hoftheater zu verschaffen. Mit ziemlicher Schnelle wurde diese bewirkt. Da bereits auch mein »Rienzi« für das Dresdner Hoftheater angenommen war, so sah ich nun der Aufführung zweier meiner Werke auf den ersten deutschen Bühnen entgegen, und unwillkürlich drängte sich mir die Ansicht auf, daß sonderbarer Weise Paris mir vom größten Nutzen für Deutschland gewesen sei. Für Paris selbst war ich jetzt auf einige Jahre aussichtslos; ich verließ es daher im Frühjahr 1842. Zum ersten Male sah ich den Rhein, – mit hellen Thränen im Auge schwur ich armer Künstler meinem deutschen Vaterlande ewige Treue.
Eine Mittheilung an meine Freunde
(1851)
Anmerkung des Herausgebers: 6) Die Schrift erschien 1851. Nachdem Wagner in den »Selbstgesprächen« seiner kultur- und kunstphilosophischen Schriften »Die Kunst und die Revolution«, »Das Kunstmerk der Zukunft«, »Kunst und Klima« und »Oper und Drama« über sein eigenes Streben und Schaffen sich vollkommen klar geworden, wendet er sich mit ihr zuerst wieder dem Publikum zu, nur mehr dem Publikum aber, das ihn von nun an einzig beschäftigt, seinen »Freunden«, denen, »die eine gemeinsame Noth mit ihm empfinden«. Ihnen erklärt er jetzt »den scheinbaren oder wirklichen Widerspruch« zwischen seinem Künstlertum und seiner »schriftstellerischen und kunsttheoretischen« Tätigkeit jener letzten zwei Jahre (1849–51), und als solche Erklärung ist die Schrift heute noch genau so notwendig, ja vielleicht noch notwendiger als bei ihrem Erscheinen. Freilich hatte man damals (in den langsam der Opernform entwachsenden Dramen »Rienzi«, »Holländer«, »Tannhäuser«, »Lohengrin«) nur erst die Vorahnung jener unendlich tiefen künstlerischen und kulturellen Wahrheit vor sich, die wir heute (als »Tristan«, »Meistersinger«, »Ring« und »Parsifal«) in lebendigster Wirklichkeit besitzen, aber – besitzen wir sie denn auch wirklich? Was Wagner in seiner »Mittheilung an meine Freunde« uns zuruft, ist eben die Mahnung, an diesen »Besitz« nicht zu glauben. »Meine Kunst«, ruft Wagner, »ist die Verneinung der Oper, die Verneinung unserer ganzen modernen »Kunstwelt«; und jene Oper, diese »Kunstwelt« sollten sie je wirklich besitzen können? Nein! Nie wird ein Mensch aus noch so vielen und noch so »guten« Opern aufführungen das Kunstwerk meines Dramas verstehen. Nur der kann dieß durch jene Opernaufführungen hindurch , der mich als »Menschen« kennen gelernt hat, der mir als Menschen mein in unserer modernen Theaterwelt nur in gänzlich unkenntlicher Verzerrung erscheinendes künstlerisches und kulturelles Ideal nachsah und nacherlebte . Dieser allein wird einsehen, daß jener »scheinbare oder wirkliche Widerspruch« zwischen meinen »Opern« und »theoretischen Ansichten« in Wahrheit nichts anderes ist als – die Kluft zwischen dem Kunstwerk, wie ich es schuf , und seinen Entstellungen auf unseren Opernbühnen.« (Zur ersten Orientierung über dies »Kunstwerk wie Wagner es schuf« benützt man am besten die kleine Schrift H. St. Chamberlains »Das Drama Richard Wagners« [Leipzig bei Breitkopf und Härtel], hierauf aber natürlich die Schriften Wagners selbst, vor allem die drei: »Die Kunst und die Revolution«, »Das Kunstwerk der Zukunft« und »Oper und Drama« (Bd. III und IV der »Gesammelten Schriften und Dichtungen«).
Die Veranlassung zu dieser ausführlichen »Mittheilung« entsprang mir daraus, daß ich die Nothwendigkeit fühlte, mich über den scheinbaren oder wirklichen Widerspruch zu erklären, in welchem die dichterische Eigenschaft und künstlerische Gestaltung meiner bisherigen Opern-Dichtungen und der aus ihnen entstandenen musikalischen Kompositionen, mit den Ansichten und Behauptungen stehen, die ich kürzlich ausführlicher niederschrieb und unter dem Titel »Oper und Drama« der Öffentlichkeit vorlegte.
Diese Erklärung beabsichtigte ich in dieser Mittheilung an meine Freunde zu richten, weil ich nur von Denen verstanden [Fußnote: Ich erkläre ein für allemal, daß, wenn ich im Verlaufe dieser Mittheilung von »mich verstehen« oder »mich nicht verstehen« spreche, dies nie in dem Sinne geschieht, als meinte ich etwa zu erhaben, zu tiefsinnig oder zu hochgegeben zu sein; sondern ich stelle an den, der mich verstehen soll, einzig die Forderung, daß er mich so und nicht anders sehe, wie
Weitere Kostenlose Bücher