Auswahl seiner Schriften
Dichters nur bedingt, nicht aber – wie vom bildenden Künstler – verwirklicht wird, und diese Verwirklichung erst durch eine eigenthümliche besondere Kunst, die dramatische Darstellungskunst, gewinnt. Ist nun durch die sinnliche Erscheinung, die hier das Werk der dramatischen Darstellungskunst ist, nicht auf das Gefühl des kritischen Freundes sicher und bestimmend gewirkt worden, so müßte er vor allen Dingen einsehen, daß die Darstellung jedenfalls eine ungenügende war; denn das Wesen jeder sinnlichen Darstellung besteht eben darin, daß sie sicher und bestimmend auf das Gefühl zu wirken hat. Das Unentsprechende der Mittel erkennend, bliebe ihm somit nur übrig zu erforschen, worauf sich das Mißverhältniß zwischen Absicht und Mittel gründe: ob die Absicht von der Beschaffenheit sei, daß sie entweder der Verwirklichung unwerth oder zur Verwirklichung durch künstlerische Mittel überhaupt ungeeignet sei, – oder ob das Mißverhältniß einfach in der Unbeschaffenheit der Mittel beruhe, die zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Orte und unter bestimmten äußerlich gegebenen Umständen, sich eben als unzureichend zur Verwirklichung der bestimmten künstlerischen Absicht herausstellten. Hier gälte es also mit voller Bestimmtheit eine künstlerische Absicht zu verstehen, die nur so weit verwirklicht ist, als es sich den beschränkten Mitteln der Technik des dramatischen Dichters erlaubt. Aber gerade auch dieses Verständniß kann, der Natur jeder künstlerischen Absicht nach, nicht mit dem reinen Verstande, sondern nur mit dem Gefühle gefaßt werden, und zwar mit einem mehr oder weniger künstlerisch gebildeten Gefühle, wie es nur Denen zu eigen sein kann, die sich mit dem Künstler in mehr oder weniger gleicher Lage befinden, unter Lebensbedingungen, die den seinen ähnlich sind, sich entwickeln, und vom Grunde des Wesens und Herzens aus so mit ihm sympathisiren, daß sie jene Absicht unter gewissen Umständen als ihre eigene aufzunehmen im Stande sind, und an dem Streben nach ihrer Verwirklichung einen nothwendigen innigen Antheil zu nehmen vermögen.
Dieß können offenbar nur die wirklich liebenden Freunde des Künstlers sein, nicht aber der absichtlich fern von ihm sich ab stellende Kritiker. Blickt der absolute Kritiker von seinem Standpunkte aus auf den Künstler, so sieht er geradesweges garnichts ; denn selbst Das, was er einzig zu sehen vermag, sein eigenes Bild im Spiegel seiner Eitelkeit, ist – vernünftig betrachtet – Nichts. Die Unvollkommenheit der Erscheinung des Kunstwerkes gewahrt er zunächst nicht da, wo sie wirklich begründet liegt; er gewahrt sie höchstens nur an dem empfundenen unvollkommenen Eindrucke, und sucht diesen nun aus der Beschaffenheit der künstlerischen Absicht selbst zu rechtfertigen, die er eben nicht zu begreifen im Stande war. In diesem Verfahren hat er sich bereits so geübt, daß er gar nicht einmal mehr auf den Versuch ausgeht, sich durch die sinnliche Erscheinung des Kunstwerkes bestimmen zu lassen, sondern er glaubt sich, bei seiner Geübtheit im Fache, mit dem gedruckten oder geschriebenen Hefte, in welchem der Dichter oder Musiker – soweit sein technisches Vermögen ihm dies gestattete – seine Absicht als solche kundthat, begnügen zu dürfen, und trägt seine – unbewußter Weise im Voraus empfundene – Unbefriedigung auf diese Absicht insofern über, als er in dieser an sich sie begründet wissen will. Ist diese Stellung die allerunfähigste für das Verständniß des Kunstwerkes überhaupt und namentlich in der Gegenwart, so ist sie es doch einzig, welche der heutigen Kunstkritik ihr unendlich papierenes Leben ermöglicht. Aber selbst mit dieser meiner – leider ebenfalls papierenen – Mittheilung wende ich mich nicht an sie, die in jener Stellung sich selig und stolz fühlen: ich weise jedes Zeichen ihrer kritischen Freundschaft für mich zurück; denn was ich ihnen selbst über mich und meine künstlerischen Leistungen sagen könnte, würden sie nicht verstehen dürfen, und zwar aus dem Grunde, weil sie Alles auf der Welt schon wissen zu müssen glauben.
Habe ich mich so darüber erklärt, an wen ich mich nicht wende, so habe ich ganz von selbst Diejenigen bezeichnet, an die ich mich mittheile. Es sind dieß Die, die mit mir als Künstler und Mensch soweit sympathisiren, daß sie meine Absichten zu verstehen vermögen, welche ich ihnen eben nicht in vollkommen entsprechender Verwirklichung durch die sinnliche Erscheinung
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