Auswahl seiner Schriften
denkbar, als die gewaltsame Entziehung der Lebensbedingungen sowohl der Mode als des Monumentalen, weil auch die Mode dem Monumentalen gegenüber ihre volle Berechtigung hat, nämlich als Reaktion des unmittelbaren Lebenstriebes der Gegenwart gegen die Kälte eines unempfindenden Schönheitssinnes, wie er sich in der gewaltsamen Neigung für das Monumentale kundgiebt. Die Vernichtung des Monumentalen mit der Mode zugleich heißt aber: der Eintritt des immer gegenwärtigen, stets neu beziehungsvollen und warm zu empfindenden Kunstwerkes in das Leben, was wiederum so viel heißt, als der Gewinn der Bedingungen für dieses Kunstwerk aus dem Leben . Den Charakter dieses Kunstwerkes dahin festzustellen, daß es nicht das Werk unserer heutigen bildenden Kunst – insofern diese nothgedrungen sich nur als monumentale kundgiebt, und sich selbst nur unserem monumentalen Eifer verdankt –, sondern einzig das Drama sein könne; daß ferner dieses Drama nur dann dem Leben gegenüber seine richtige Stellung finden dürfte, wenn es in jedem seiner Momente diesem Leben vollständig gegenwärtig, in seinen besondersten Beziehungen ihm so angehörig, wie aus ihm hervorgegangen, nach der Individualität des Ortes, der Zeit und der Umstände so eigenthümlich erscheint, daß es zu seinem Verständnisse, d. h. zu seinem Genusse, nicht des reflektirenden Verstandes, sondern des unmittelbar erfassenden Gefühles bedürfe; daß endlich dieses Verständniß nur dann ermöglicht werden könne, wenn der an und für sich gefühlsverständliche Inhalt in der entsprechenden Erscheinung an die Sinne, somit durch das universell-künstlerische Ausdrucksvermögen des Menschen wiederum an das universell-künstlerische Empfängnißvermögen des Menschen sich kundgäbe, nicht durch eine getrennte Eigenschaft jenes einen Vermögens an eine wiederum gesonderte dieses anderen: – dies im Allgemeinen darzustellen, war der Zweck meiner Schrift »das Kunstwerk der Zukunft«. Worin der Unterschied zwischen diesem Kunstwerke, und jenem, unseren kritischen Ästhetikern einzig vorschwebenden, monumentalen Kunstwerke bestehe, liegt Jedem, der mich verstehen wollte, offen da; und zu behaupten, daß Das, was ich wollte, bereits vorhanden sei, konnte nur Denen beikommen, für die die Kunst in Wahrheit gar nicht vorhanden ist.
Nur eine Stellung, in der ich mich nothwendig hierbei befand, konnte auch Vorurteilsloseren Grund zum Auffinden von Widerspruch geben. Ich setze nämlich als die Bedingung für das Erscheinen des Kunstwerkes in allererster Stelle das Leben , und zwar nicht das im Denken willkürlich wiedergespiegelte des Philosophen und Historikers, sondern das allerrealste, sinnlichste Leben, den freiesten Quell der Unwillkürlichkeit. Von meinem Standpunkte als Künstler der Gegenwart aus entwerfe ich aber Grundzüge, »des Kunstwerkes der Zukunft«, und zwar in Beziehungen auf eine Form, die nur der künstlerische Trieb eben jenes Lebens der Zukunft sich selbst bilden dürfte. Ich will mich hiergegen nicht bloß dadurch rechtfertigen, daß ich nur auf die allgemeinsten Züge des Kunstwerkes hindeutete, sondern ich weise – nicht nur zu meiner Rechtfertigung, sondern überhaupt zum Verständnisse meiner Absicht – darauf hin, daß allerdings der Künstler der Gegenwart einen in jeder Hinsicht entscheidenden Einfluß auf das Kunstwerk der Zukunft haben muß, und daß er diesen Einfluß sehr wohl im Voraus berechnen könne, eben weil er schon jetzt dieses Einflusses sich bewußt werden muß. Dieses Bewußtsein erwächst ihm, bei seinem edelsten Drange, aus dem Innewerden seiner tiefsten Unbefriedigung dem Leben der Gegenwart gegenüber; er sieht sich für die Verwirklichung von Möglichkeiten, deren Vorhandensein ihm aus seinem eigenen künstlerischen Vermögen zum Bewußtsein gekommen ist, auf das Leben der Zukunft einzig angewiesen. Wer nun von diesem Leben der Zukunft die fatalistische Ansicht hegt, daß wir rein gar nichts von ihm uns vorstellen könnten, der bekennt, daß er in seiner menschlichen Bildung nicht so weit gelangt ist, einen vernünftigen Willen zu haben: der vernünftige Wille ist aber das Wollen des erkannten Unwillkürlichen, Natürlichen, und diesen Willen kann allerdings nur Der als für das Leben der Zukunft gestaltend voraussetzen, der dazu gelangt ist, ihn selbst auch für sich zu fassen. Wer von der Gestaltung der Zukunft nicht den Begriff hat, daß sie eine nothwendige Konsequenz des vernünftigen Willens der Gegenwart sein
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