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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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müsse, der hat überhaupt auch keinen vernünftigen Begriff von der Gegenwart und von der Vergangenheit: wer nicht in sich selbst Initiative des Charakters besitzt, der vermag auch in der Gegenwart keine Initiative für die Zukunft zu ersehen. Die Initiative für das Kunstwerk der Zukunft geht aber von dem Künstler der Gegenwart aus, der diese Gegenwart zu begreifen im Stande ist, ihr Vermögen und ihren nothwendigen Willen in sich aufnimmt, und mit diesen eben kein Sklave der Gegenwart mehr bleibt, sondern sich als ihr bewegendes, wollendes und gestaltendes Organ, als den bewußt wirkenden Trieb ihres aus sich heraus strebenden Lebensdranges kundgiebt.
    Den Lebenstrieb der Gegenwart erkennen, heißt: ihn bethätigen müssen. Gerade die Bethätigung des Lebenstriebes unserer Gegenwart äußert sich aber nicht anders, als in einer Vorausbestimmung der Zukunft, und zwar eben nicht als einer vom Mechanismus der Vergangenheit abhängigen, sondern als einer frei und selbständig in all' ihren Momenten aus sich, d. h. dem Leben heraus gestaltenden. Diese Bethätigung ist die Vernichtung des Monumentalen, und für die Kunst äußert sie sich in der Richtung, die sich in die unmittelbarste Berührung mit dem stets gegenwärtigen Leben setzt, und dieß ist die dramatische Richtung. Die Erkenntnis der Nothwendigkeit dieser Richtung für die Kunst, um sie mit dem Leben in eine immer neu fördernde, alles Monumentale überwindende, Wechselwirkung zu setzen, führt den Künstler natürlich auch zur Erkenntniß der Unfähigkeit des öffentlichen Lebens der Gegenwart, jene Richtung der Kunst aus sich zu rechtfertigen, mit ihr sich zu verschmelzen; denn unser öffentliches Leben, so weit es mit den Erscheinungen der Kunst in Berührung tritt, hat sich unter der ausschließlichen Herrschaft des Monumentalen, und der, gegen das Monumentale reagirenden Mode gestaltet. In Übereinstimmung mit dem öffentlichen Leben der Gegenwart konnte daher nur derjenige Künstler schaffen, der entweder die Monumente der Vergangenheit nachahmte, oder sich zum Diener der Mode hergab: Beide sind aber in Wahrheit keine Künstler. Der wahre Künstler, der in der bezeichneten wirklich dramatischen Richtung sich bewegte, konnte dagegen nur in Unübereinstimmung mit dem Geiste des öffentlichen Lebens der Gegenwart sich kundgeben: wie aber gerade von ihm erst das Kunstwerk als das wahre Kunstwerk erkannt wird, welches in seiner sinnlichsten Erscheinung dem Leben verständnißvoll sich erschließen kann, so mußte er nothwendig die Verwirklichung seines höchsten künstlerischen Wollens in das Leben der Zukunft, als ein von der Herrschaft des Monumentalen wie der Mode befreites, setzen; er mußte seinen künstlerischen Willen somit geradesweges auf das Kunstwerk der Zukunft richten, gleichviel ob es ihm oder Anderen erst vergönnt sein werde, den Boden dieses ermöglichenden und verwirklichenden Lebens der Zukunft zu betreten.
    Zu diesem Willen konnte allerdings nicht der absolute Denker oder Kritiker gelangen, sondern nur der wirkliche Künstler, dem auf seinem künstlerischen Standpunkte im Leben der Gegenwart Denken und Kritik selbst zu einer nothwendigen, wohlbedingten Eigenschaft seiner allgemein künstlerischen Thätigkeit werden mußte. Sie entwickelt sich bei ihm nothwendig durch die Betrachtung seiner Stellung zum öffentlichen Leben, das er nicht mit der kalten Gleichgiltigkeit eines absolut kritischen Experimentalisten, sondern mit dem warmen Verlangen, sich ihm verständnißvoll mitzutheilen, anschaut. Was dieser Künstler im Anschauen des öffentlichen Lebens der Gegenwart gewahrt, ist zunächst die volle Unfähigkeit, durch die mechanischen Werkzeuge der einzig herrschenden monumentalen, oder modischen Kunst, sich eben verständnißvoll mittheilen zu können.
Anmerkung des Herausgebers: 7) Man vergleiche zu dieser Stelle die leuchtend klaren Ausführungen im Briefe »Ueber die Goethestiftung« S. 232 ff. des vorliegenden Bändchens.
    Habe ich hier einzig den wirklichen dramatischen Dichter im Auge, so meine ich das Unvorhandensein der theatralischen Kunst und der dramatischen Szene, die seine Absicht zu verwirklichen im Stande wären. Die modernen Theater sind entweder die Werkzeuge der monumentalen Kritik – man denke an den Berliner Sophokles, Shakespeare u. s. w. – oder der absoluten Mode. Die Möglichkeit, diese Theater gänzlich zu umgehen, kann ihm nur mit Verzichtleistung auf jede, auch nur annähernde Verwirklichung seiner

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